Capital Group: Frontiermärkte interessant

Die Emerging Markets befinden sich seit den Neunzigern in einem konstanten Wandel: Heute weisen sie weniger Inflation, stärkeres Wachstum und einen veränderten Anleihenmarkt auf. Das schreibt Valeria Vine, Investment Director bei Capital Group, in einer Analyse. 

Die Schwellenländer befinden sich im Aufwind: Die Inflation, früher eine klassische Schwachstelle, ist seit 1990 von durchschnittlich 78 Prozent auf fünf Prozent im Jahr 2020 gefallen. Auch die gestiegene Staatsverschuldung, von etwa 45 Prozent des BIP im Jahr 1990 auf 63 Prozent im Jahr 2020, sei laut Vine handhabbar: „Besonders im Vergleich zu den Industrieländern, deren Schuldenstandsquoten 2020 auf über 120 Prozent gestiegen sind.“ Außerdem sei die Leistungsbilanz der Emerging Markets, anders als noch in den Neunzigern, nicht mehr defizitär, sondern im Plus. „In den 1990er-Jahren steckten viele Schwellenländer in der Krise,“ so Vine. „Mittlerweile haben sie aber meist hohe Fremdwährungsreserven, und auch Währungsanbindungen sind seltener geworden.“ Die Emerging Markets könnten daher flexibler auf Krisen reagieren.

Frontiermärkte bleiben interessant für langfristige Investoren

Dies biete Chancen für Anleger, besonders die Frontiermärkte seien vor allem bei den Anleihen im Kommen. Während viele klassische Emerging Markets mittlerweile weitaus entwickelter seien und dadurch nicht mehr so stark wachsen würden wie in früheren Jahren, hätten die weniger entwickelten Frontiermärkte noch Nachholbedarf: „Vorübergehend wächst die Erwerbstätigenzahl schneller als die Zahl der nicht erwerbstätigen Menschen. Das fördert die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand,“ so Vine.

Die Opportunitäten der Frontiermärkte könnten Investoren nutzen, indem sie sich nicht an den klassischen Ländergrenzen orientierten. Im Gegenzug sollten sie auf erfolgreiche Unternehmen setzen, die von wichtigen Langfristtrends in den Industrieländern profitieren: „Essenslieferdienste haben in den Frontiermärkten bislang nur eine geringe Bedeutung. In der Regel sind diese jedoch in Ländern mit einer höheren Bevölkerungsdichte und großen Einkommensunterschieden interessant,“ so Vine. Viele Frontiermärkte würden daher ideale Wachstumschancen für Essenslieferdienste bieten. 

Indische Aktien sind im Kommen

Ein weiterer Markt, der Möglichkeiten zum Wachstum biete, sei der Indische: „Mit seinem Unternehmergeist und vielen gut ausgebildeten Experten sind in Indien zahlreiche Technologieunternehmen entstanden – oft mit viel Private-Equity-Kapital,“ so Vine. Um das Wachstum zu finanzieren, setzten immer mehr Unternehmen auf einen Börsengang. Im Erfolgsfall würden sie damit die digitale Wirtschaft weiter stärken und die indischen Aktienmärkte diversifizieren. Besonders in den Branchen E-Commerce, Banken und Wohnimmobilien biete Indien interessante Chancen für Anleger.

Amerikanisch-chinesische Rivalität könnte Weltpolitik beeinflussen

Manche haben es schon fast vergessen, doch vor Corona sorgte der Handelskonflikt zwischen den USA und China für die vielleicht größten Schlagzeilen in der Wirtschaftspresse,“ so Vine. Auch im neuen Jahrzehnt könnte der Konflikt ein bestimmendes Investmentthema bleiben. Der Konflikt zwischen den beiden Ländern habe direkte Auswirkungen auf Unternehmen: „Sie müssen Farbe bekennen und vielleicht neue Konzepte entwickeln, um in beiden Ländern tätig zu sein.“

Zwar solle man Unternehmen meiden, die zwischen die Fronten geraten könnten, doch Vine sieht noch immer Anlagechancen: „Rein chinesische Internetfirmen dürfte ein Handelskrieg nicht stark treffen.“ Außerdem seien branchenübergreifende und innovative Start-ups, geführt von echten Unternehmern, von großem Interesse.

Auch die fortschreitende Urbanisierung in China bringe Möglichkeiten mit sich. Besonders für Unternehmen, die attraktive Grundstücke kaufen und sie zu vertretbaren Kosten entwickeln können. „Auch Menschen, die bereits ein Haus besitzen, sind wichtig,“ so Vine. „Sie renovieren es und bauen es aus, wenn ihre Einkommen steigen.“ Emerging Markets wie Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und China würden zu den Ländern mit den höchsten Brutto-Sparquoten der Welt zählen: „Hohe Sparquoten sowie sehr niedrige Zinsen hatten entscheidenden Anteil an der Entwicklung der Immobilienmärkte weltweit, auch des chinesischen.“