Kaum ein anderer Politikbereich steht so im Mittelpunkt der Debatte wie die Energiepolitik. Das sorgt dafür, dass immer neue Ideen in den Markt der Meinungen gekippt werden. Und so gut die Absichten dahinter auch sein mögen, so ist doch eines absehbar: Jede neue Idee behindert bis zu ihrer Umsetzung oder Absetzung den Umbau der Energiewirtschaft. Idealtypisch ist das gerade zu erleben an der Diskussion um subventionierte Industriestrompreise. Ein Kommentar von Markus W. Voigt, CEO der aream Group.
Energieintensive Betriebe könnten – so die Ideen von Wirtschaftsminister Habeck – in Zukunft mit günstigem Strom unterstützt werden. Das sichert Arbeitsplätze und hält die Industrie im Lande. Auf diese Weise ließe sich der sichere Übergang zu einer auf günstigen Erneuerbaren Energien basierenden Wirtschaft abfedern, so die durchaus nachvollziehbare Argumentation. Doch genau dieser Übergang wird durch diese Idee erneut behindert und verzögert.
Warum? Weil Industriekunden ihre Energie gerne langfristig einkaufen, berechenbare Preise und Konditionen für ihre Kalkulationen benötigen. Und weil auf der anderen Seite Projekte zur Stromerzeugung aus Sonne, Wasser oder Wind einer ebenfalls sicheren Kalkulationsgrundlage bedürfen, um überhaupt in die Realisierung zu gehen.
In den vergangenen Jahren kamen sich hier Industrie als Abnehmer auf der einen und die Produzenten grünen Stroms immer näher. Statt den Strom einfach einzuspeisen, wurden mit Abnehmern individuelle Verträge über die Lieferung geschlossen. Oder mancher Industriebetrieb ließ sich gleich einen ganzen Wind- oder Solarpark projektieren, um dauerhaft Planungssicherheit beim Strompreis zu haben.
Doch warum sollten diese Pläne weiter verfolgt werden, wenn es doch absehbar billigen Strom dank staatlicher Subventionen geben könnte? Manch ein Industriekunde wartet ab, ob und wie der Habeck-Strom kommen wird. Statt also den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu beschleunigen, wird wieder eine Warteschleife eingebaut. Projekte werden auf Eis gelegt – und starten dann erst deutlich später in die Umsetzung.
Dabei sind es gerade die Industriebetriebe, die mit ihrem Energiebedarf durch Umstellung auf grünen Strom schnell für eine echte Energiewende sorgen könnten. Der Idealzustand einer weitgehenden Versorgung auch der Industrie mit Strom aus Erneuerbaren Energien wird damit aufgeschoben. Und damit auch die Übergangsphase, in der die Strompreise subventioniert werden müssen, verlängert.
Möglicherweise dauert es also länger, möglicherweise müssen länger und mehr Subventionen vom Staat eingesetzt werden. Möglicherweise wäre es also besser, unausgegorene Ideen zunächst einmal intern zu wägen und abzustimmen, bevor sie in die Welt gesetzt werden. Denn egal, ob der billige Industriestrom kommt oder nicht: Das Abwarten sorgt in jedem Fall dafür, dass der Druck zum Umstieg geringer wird. Und das allen möglichen Auflagen zum Trotz.