Donner & Reuschel: Corona und Märkte

Die Corona-Pandemie bleibt nach wie vor einer der wesentlichsten Risikofaktoren für die konjunkturelle Entwicklung. Nicht nur in der Eurozone steigen die Neufallzahlen deutlich. Auch Australien erlebt gerade eine neue Infektionswelle, mit der Folge strikter Lockdowns für weite Teile des Landes. In den USA befindet sich die Anzahl der neu gemeldeten Coronafälle in dieser Woche auf dem höchsten Stand seit Februar. Einzelne Krankenhäuser vermelden bereits knapp werdende Intensivbettenkapazitäten, obwohl die derzeit maßgebliche Deltavariante des Virus zu weniger schwerwiegenden Krankheitsverläufen führt. Sagt Carsten Mumm in einer Markteinschätzung.

Zwar steigen die Impfquoten in Europa und den USA weiter, im weltweiten Durchschnitt aller weit entwickelten Volkswirtschaften liegt der Anteil der vollständig geimpften Menschen trotzdem nur bei knapp 40 Prozent. In Australien beispielsweise haben erst knapp 20 Prozent der Bevölkerung einen vollständigen Impfschutz, in vielen Schwellenländern liegt der Wert nur zwischen 0 und 10 Prozent, wodurch die Gefahr weiterer Virusvarianten akut ist.

Wirtschaftlich haben viele Staaten die Wachstumsspitze mittlerweile überschritten. Dabei wird die Industrieproduktion trotz hoher Nachfrage vielfach durch weiterhin knappe Transportkapazitäten und Vorleistungsgüter ausgebremst. In Europa und den USA produzieren die meisten Dienstleistungssektoren nach weitgehender Lockerung bestehender Shutdowns wieder auf Vorkrisenniveaus. Trotzdem bleibt die Erwartung deutlich überdurchschnittlicher Wachstumsraten in diesem und im kommenden Jahr bestehen. Der IWF geht von einem Weltwirtschaftswachstum in Höhe von 6 Prozent in 2021 und 4,9 Prozent in 2022 aus.

Die Inflationsrate in den USA stagnierte im Juli bei 5,4 Prozent. Die Kernrate ohne die Komponenten Nahrungsmittel und Energie sank leicht auf 4,3 Prozent. Der nachlassende Preisdruck resultierte aus teilweise deutlich nachgebenden Rohstoffnotierungen, v.a. beim Holz sowie einem nachlassenden Ölpreisbasiseffekt. Trotzdem dürften auch künftig erhöhte Inflationsdaten vermeldet werden, was sich bereits durch den im Juli um ein Prozent angestiegenen Erzeugerpreisindex abzeichnet.

Zudem deutet die zuletzt positive Entwicklung am US-Arbeitsmarkt einen steigenden lohninduzierten Preisdruck an. Obwohl die Arbeitslosenquote im Juli auf 5,4 Prozent gesunken ist und sich die Anzahl der nicht besetzten offenen Stellen mit etwa 10 Mio. auf einem Rekordniveau befindet, nahm die Anzahl der freiwilligen Kündigungen zu. Offensichtlich nutzen Arbeitnehmer die hohe Nachfrage, um im Zuge eines Jobwechsels einen höheren Lohn zu vereinbaren.

Angesichts der stark gestiegenen Inflation entwickelten sich die US-Zinsen zuletzt ungewöhnlich moderat, gaben bis vor kurzem sogar nach. Im historischen Kontext sind steigende Inflationsraten und stabile Zinsen sehr ungewöhnlich und deuten darauf hin, dass Marktkräfte angesichts der enormen Wertpapierkaufvolumina der Fed und aufgrund regulatorisch motivierter Käufe risikoarmer Anleger nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Eine andere Erklärung wäre, dass die Marktteilnehmer das Narrativ der Notenbank von einem nur temporären Inflationsanstieg glauben, woran es aber m.E. erhebliche Zweifel gibt. Entsprechend ist künftig mit zumindest leicht steigenden Nominalzinsen zu rechnen.

Steigende Inflation und stabile Zinsen haben in den USA zu einem deutlich nachgebenden Realzinsniveau geführt. Im Vergleich zur Eurozone, wo eine ähnliche, aber weniger ausgeprägte Entwicklung stattgefunden hat, hat der US-Dollarraum damit an Attraktivität eingebüßt. Entsprechend ist in den kommenden Monaten mit einem wieder nachgebenden Dollar in Relation zum Euro zu rechnen. Dafür sprechen auch die Nominalzinsdifferenzen des Dollar im Vergleich zu den G6-Staaten sowie die aktuelle Kaufkraftparität und das Austauschverhältnis realer Güter (terms of trade) im Vergleich zum Euro.

Der Goldkurs würde von einem schwächeren US-Dollar profitieren und erneut ansteigen. Generell sprechen explodierende Staatsschulden, tief negative Realzinsen, eine immer engere Verflechtung von Geld- und Fiskalpolitik sowie der unsichere Verlauf der Corona-Pandemie für eine anhaltende Nachfrage nach Edelmetallen.

Die US-Notenbank Fed dürfte aufgrund der Inflationsdynamik und der Verbesserungen am US-Arbeitsmarkt noch im August auf dem internationalen Notenbankertreffen in Jackson Hole oder spätestens im September nach der nächsten regulären Notenbanksitzung den Beginn einer sukzessiven Reduzierung der Wertpapierkaufvolumina (Tapering), vermutlich ab dem 4. Quartal, ankündigen. Tapering, Corona-Unsicherheiten und weltweit steigende Produktionskosten dämpfen die Perspektiven der Aktienmärkte, wenngleich sie aufgrund fehlender verzinslicher Anlagealternativen und eines grundsätzlich dynamischen Aufschwungs moderat positiv bleiben.