AIR GmbH: Der Kunde wird König – langsam

In Finanzdingen fühlen sich viele Kunden überfordert oder anders gesagt: ihren Beratern an Wissen unterlegen. Finanzdienstleister sind dank Herrschaftswissen König, der Kunde ist Untertan. Doch die Dinge ändern sich. Initiativen auf nationaler wie auf EU-Ebene zeigen, dass die Untertanen den Machtwechsel anstreben. Sie kämpfen für mehr Transparenz in allen Bereichen, von den Gepflogenheiten der Branche bis zu den Versicherungsbedingungen. Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist auch der Wechsel der Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker in eine private Initiative, die ebenfalls für mehr Transparenz und Selbstbestimmtheit gegen die Interessen einer als übermächtig wahrgenommenen Finanzindustrie eintritt.

Der Zeitpunkt des Wechsels zeigt die wachsende Stärke der Bewegung. Dabei geht es nicht darum, Finanzdienstleister zu verbieten oder zu ersetzen. Sie sind wichtig für das System, sie bilden den Zugang zu Produkten, sie schaffen erst die Produkte, die wichtig, richtig und notwendig sind. Doch genau diese Entscheidung, was richtig, wichtig und notwendig ist, soll der Kunde treffen. Der mündige, aufgeklärte Kunde wird zum König und bestimmt über sein eigenes finanzielles Schicksal.

Bislang ist es so, dass ein Kunde von drei verschiedenen Beratern auch im Zweifel drei sehr unterschiedliche Konzepte für seine Finanzen bekommt. Denn obwohl dieselben Kundenbedürfnisse und Rahmenbedingungen angenommen werden, unterscheiden sich die Berater. Sie sind es, die durch ihre individuelle Gewichtung bestimmen, wie das Konzept aussieht. Ein Konzept, das jeweils als optimal verkauft wird. So sind es derzeit sehr klar sichtbar die Finanzinstitutionen, die den Kunden diktieren, was er tun soll. Und auch, wenn unterschiedliche Konzepte zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen können: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass kein Konzept das optimale Ergebnis liefert.

Denn dazu müsste unabhängig von Produkten, Provisionshöhen, individuellen Vorlieben und Erfahrungen nur der Bedarf des Kunden im Mittelpunkt stehen. Ein Blick, der wie der Blick eines Finanzvorstands in einem Unternehmen nüchtern auf die Zahlen schaut, den aktuellen und zukünftigen Liquiditätsbedarf ermittelt, Sicherheitsbedürfnisse berücksichtigt und erst dann überlegt, wie und mit wem dieser Plan umgesetzt wird.

Das Gute: Die Entwicklung der Rechenleistung, die Vernetzung und nicht zuletzt auch die Integration echter künstlicher Intelligenz in die Finanzanalyse lassen Ansätze entstehen, die tatsächlich einen Machtwechsel herbeiführen können. Kunden können vollständig von ihrem Bedarf ausgehen, ihre eigenen Entscheidungen treffen und diese dann entweder mit einem Makler/Finanzberater oder auch vollständig selbstbestimmt umsetzen. In jedem Fall können sie den Machtwechsel herbeiführen, die Transparenz stärken, als Kunde zum König werden.