– Die Auswirkungen der Coronakrise auf alle Aspekte des Lebens sind erheblich – und viele Folgen der Pandemie noch völlig offen. „Dennoch scheint es, dass wir trotz einer der größten Rezessionen der vergangenen Jahrzehnte keine Welle von Kreditausfällen erleben werden“, sagt Jürgen Sonder, Präsident der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing, kurz BKS. Allerdings werden die Banken in zwei Kreditsegmenten mit steigenden Ausfällen zu kämpfen haben. „Und die anziehende Inflation wird zum Stresstest mancher am Limit operierender Firmen“, so Sonder.
Dass die Wirtschaft bislang relativ glimpflich durch die Krise kam, ist der massiven staatlichen Unterstützung und den Kredithilfen zu verdanken. So scheinen die Hilfsmaßnahmen Früchte zu tragen: Kurzarbeitergeld, KfW-Programme, Überbrückungshilfen und Steuererleichterungen brachten einen Großteil der Unternehmen durch die Krise. In den Privathaushalten stieg die Sparquote sprunghaft von rund 11 auf 16 Prozent an und die Zahl der überschuldeten Privathaushalte ist von 6,92 auf 6,85 Millionen zurückgegangen.
Die NPL-Quoten der deutschen Kreditinstitute sanken im ersten Quartal 2021 von 1,3 auf 1,2 Prozent, wie die European Banking Authority (EBA) gestern meldete. Auch in den beiden von der Coronakrise am meisten betroffenen Assetklassen „Kleine und mittlere Unternehmen (KMU)“ sowie „Gewerbliche Immobilienfinanzierungen (CRE)“ gab es keinen Anstieg. Im Gegenteil: Im Bereich der KMU sank die Quote von 3,0 auf 2,7 Prozent. Bis 2022 gehen die Verantwortlichen in den Risikoabteilungen der deutschen Kreditinstitute laut dem im März erschienenen NPL-Barometer der BKS von einem Anstieg auf 3,8 Prozent aus. Im Bereich CRE stieg die Quote im vierten Quartal 2020 von 1,7 auf 2,0 Prozent und blieb auch im ersten Quartal 2021 auf diesem Niveau. Hier erwarten die Befragten des NPL-Barometers bis 2022 eine Quote von 3,1 Prozent. Selbst bei den am stärksten vom Lockdown betroffenen Sektoren „Beherbergung und Gastronomie“ ging die NPL-Quote im ersten Quartal 2021 von 5,7 auf 5,4 Prozent zurück. BKS-Präsident Sonder warnt dennoch: „Mit Blick auf die Unternehmensbilanzen gibt es einen Haken: Zwar konnten viele Unternehmen zusätzliche Liquidität schaffen, doch lief dies oft über die Verschiebung von Investitionen und den Abbau von Lagerreserven.“ Dies könnte in Zukunft negative Auswirkungen auf die Zahlungsfähigkeit haben.
Auf makroökonomischer Ebene gibt es ebenfalls Risiken: Die Zentralbanken haben ihre Bilanzsummen im vergangenen Jahr erheblich vergrößert. Immer mehr Experten warnen vor steigender Inflation durch die anziehende Nachfrage in vielen Ländern bei nach wie vor bestehenden Einschränkungen auf der Angebotsseite. Sollte die Inflation noch stärker steigen, wären die Zentralbanken zu Maßnahmen gezwungen – beispielsweise zum Einstellen von Anleihekäufen, aber auch zu Zinserhöhungen. „Diese wiederum würde besonders überschuldete Unternehmen belasten, die sich mit den bisherigen Hilfen gerade so über Wasser halten konnten“, sagt Sonder. Wie sich die Krise in den nächsten Jahren auf die verschiedenen Wirtschaftsbereiche auswirken könnte, ist ein Themenschwerpunkt beim NPL-Forum 2021. Die größte und wichtigste Konferenz des deutschen Sekundärmarktes für notleidende Bankforderungen findet am 08. Juli 2021 in einem Hybrid-Format an der Frankfurt School of Finance & Management statt. Für die Präsenzveranstaltung sind die Plätze limitiert. Die Konferenz startet mit einer Keynote-Speech von Prof. Dr. Joachim Wuermeling,
Vorstandsmitglied Deutsche Bundesbank, zum Thema „NPLs post Covid – wie können sich Banken und Aufsicht schon jetzt wappnen?“. Fachbeiträge und eine Diskussionsrunde mit Vertretern von Kreditinstituten, Aufsichtsbehörden und anderen Marktteilnehmern werden einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der NPL-Situation in den kommenden Monaten und Jahren geben.
„Das NPL-Forum kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Auch wenn die NPL-Quoten in den vergangenen Monaten nicht so stark gestiegen sind, wie zu Beginn der Pandemie befürchtet worden war, wird dies nicht ohne Konsequenzen bleiben – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, die besonders betroffen sind. Deshalb ist es gerade jetzt so wichtig, Vorsorge zu treffen und Handlungsoptionen zu prüfen“, sagt Prof. Dr. Christoph Schalast, Vorsitzender des Beirats der BKS und Professor für Mergers & Acquisitions, Wirtschafts- und Europarecht an der Frankfurt School of Finance & Management.