EDS: ESG: deutsche Kommunen mit Nachholbedarf

An den Kapitalmärkten hat sich mit ESG ein neuer Megatrend mit Unterstützung der Politik endgültig durchgesetzt: Die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit wird für Kapitalgeber immer wichtiger – und damit auch für die Kommunen in Deutschland. Zwar haben sie die wachsende Bedeutung der Nachhaltigkeit erkannt. „Bei der Umsetzung gibt es allerdings noch Nachholbedarf“, sagt Sebastian Bergmann, Geschäftsführer der European Debt Solutions GmbH (EDS).

Bei den Kapitalgebern wächst der Druck, ihre Darlehensvergabe nachhaltig zu gestalten. Für 29 Prozent von ihnen sind ESG-Themen heute „sehr relevant“, dagegen nur für elf Prozent der kommunalen Kapitalnehmer. Das zeigt eine Studie der Hochschule Fresenius. Kapitalgeber wie auch -nehmer erwarten für die nächsten fünf bis zehn Jahre eine wachsende Bedeutung von ESG, bei den Kapitalgebern ist die Steigerung jedoch deutlich stärker.

Nur ein Drittel der befragten kommunalen Kapitalnehmer gab an, sich aktiv im Bereich Nachhaltigkeit zu engagieren. Bei den Kapitalgebern greifen dagegen 74 Prozent das Thema ESG in ihrer Institution auf. 71 Prozent veröffentlichen einen regelmäßigen Nachhaltigkeitsbericht. Fast alle würden eine Pflicht für einen ESG- und Nachhaltigkeitsbericht für Stadtwerke begrüßen, 90 Prozent eine Berichtspflicht für Kommunen. Die große Mehrheit der Kreditnehmer sieht allerdings eine eine solche Pflicht mit Skepsis.

Auf der Wunschliste der Kapitalgeber stehen zudem die Zertifizierung durch ESG-Ratings von unabhängigen Drittparteien sowie mehr Transparenz bei der Zweckbindung eines Darlehens seitens der Kreditnehmer. Aus Sicht der Kommunen und kommunalen Unternehmen ist jedoch der Zeit- und Kostenaufwand dafür häufig zu hoch und der Konditionsvorteil zu gering. „Insgesamt besteht ein Interessenkonflikt zwischen beiden Seiten, der durch vermehrte Information und Kooperation behoben werden sollte“, so Bergmann.

Zudem prüfte die Studie die 20 am höchsten verschuldeten Kommunen auf ihre ESG-Konformität. Das Ergebnis: Von den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen (SDG) werden nur zwei von den Kommunen nicht adressiert: SDG 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz) und SDG 17 (Globale Partnerschaft zur Erreichung der Ziele). In einem zweiten Schritt wurde überprüft, inwiefern die Kommunen weitere neun ESG-Kriterien einhalten – von Treibhausgasemissionen über die Förderung von Mobilitätszielen bis hin zu den Themenfeldern Geschlechterdiversität, Bildung, Migration, Korruptionsprävention und Datenschutz.

Vier der neun Kriterien werden von allen Kommunen erfüllt: Offenlegung der Treibhausemissionen, Menschen mit Behinderung und Senioren, Bildung, Gesundheit, Sicherheit und Ordnung sowie Gewährleistung des Datenschutzes. Bei den Kriterien zu Mobilität/Smart City sowie Migration und Integration liegt die Quote immerhin bei 95 Prozent.

Schwachpunkt bleibt die Führung eines Public Corporate Governance Kodex. Dies ist mit 60 Prozent das am wenigsten von Kommunen erfüllte Kriterium, gefolgt von Geschlechterdiversität (65 Prozent). Im Vordergrund steht hier überwiegend die Geschlechtergleichberechtigung, nicht die Geschlechtervielfalt. Bei der Prävention und Bekämpfung von Korruption kommen die Kommunen auf einen Wert von 75 Prozent.

„Die Orientierung an ESG-Kriterien gewinnt für Kapitalgeber an Bedeutung, weswegen die Kommunen diesem Themenfeld mehr Aufmerksamkeit widmen müssen“, resümiert EDS-Geschäftsführer Bergmann. Insbesondere müsse die Transparenz bei der Zweckbindung erhaltener Darlehen gestärkt werden. Daneben gebe es Nachholbedarf bei der Unternehmensführung – Stichwort Public Corporate Governance Kodex – sowie bei Korruptionsrisiken und der Aufklärung über und Förderung von geschlechterunabhängigen Chancen. „Schließlich kommt den Kommunen eine besondere Rolle bei der Definition, Einführung und Umsetzung von ESG-Standards zu“, so Bergmann.