Ethenea: Denkmuster von Makroinvestoren überholt

Inflation, Ukrainekrieg, schwaches Wachstum: Die vergangenen 18 Monate haben für Makroinvestoren eine neue Ausgangslage geschaffen, sagt Dr. Andrea Siviero, Senior Portfolio Manager des HEPER FUNDS – Global Solutions. Dr. Sivieros Ansatz: Ein globales Portfolio konstruieren, welches säkulare Trends, die aktuellen makroökonomischen Aussichten und die Marktstimmung berücksichtigt. Und für alle dieser drei Säulen gab es seit 2020 neue Impulse.

Tektonische Erschütterungen der globalen Lieferketten

Säkulare Trends geben für die nächsten fünf bis zehn Jahre die übergeordneten Rahmenbedingungen vor und wirken sich daher auf verschiedene Arten und Weisen auf das Leben jedes einzelnen sowie auf Investitionen aus. Diese Trends lassen sich zwar nicht direkt in einzelne Aktien übersetzen, aber sie können auf lange Sicht große Auswirkungen auf Wachstum und Inflation haben sowie ganze Geschäftsmodelle schaffen oder vernichten. „Dazu gehört zum Beispiel der Klimawandel, der demographische Wandel oder die Globalisierung“. In den letzten dreißig Jahren fand eine Phase zunehmender Globalisierung der Volkswirtschaften statt. Das Aufkommen globaler Wertschöpfungsketten habe beispielsweise dazu beigetragen, dass die Inflation gesunken und das Wirtschaftswachstum weltweit gestiegen sei.

Doch der Handelsstreit, die Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben die Globalisierung wieder in Frage gestellt. „In den kommenden Jahren ist mit populistischen Bewegungen zu rechnen, die auf eine protektionistische und nationalistische Politik zur Verteidigung der nationalen Interessen drängen“. „Es ist nicht klar, ob wir in eine Deglobalisierungsphase der Weltwirtschaft eintreten werden, aber die Investoren sollten die möglichen Auswirkungen eines solchen Szenarios sorgfältig beobachten sowie mögliche Auswirkungen auf Wachstum und Inflation berücksichtigen.“

Stagflation im Westen, Lockdowns in China

Eine zweite Säule sei der Makroausblick, also das Basisszenario für die Weltwirtschaft und für die wichtigsten Regionen der nächsten 12 bis 18 Monate. Dieses setzt sich aus fundamentalen Wirtschaftsdaten und politischen Entscheidungen zusammen. „Das Makrobild liefert nützliche Hinweise auf die relative Leistung der Länder und bietet nützliche Informationen für die Vermögensallokation“.

Das sehe man aktuell etwa an den verschiedenen globalen Regionen: Während in den USA die Wirtschaft solide bleibe und eine hohe Inflation verzeichne, drohe in Europa eine Stagflation. Die Wirtschaft in China werde durch den Ausbruch von Covid und die Null-Covid-Politik stark gebremst. Gleichzeitig stünde Großbritannien vor einer dreifachen Herausforderung: Steigende Inflation, straffe Finanz- und Geldpolitik der Regierung und Zentralbank, sowie sinkende Einwanderung aufgrund des Brexits und fehlende Arbeitskräfte. Entsprechend sei das britische Pfund seit Mai 2021 in einem Abwärtstrend gegenüber dem US-Dollar. „Investoren sollten ihren Makroausblick regelmäßig aktualisieren und nicht an alten Denkmustern festhalten“. 

Marktstimmung ist Chance für Anleger

Die letzte Säule ist nach das Marktsentiment. „Das sind die täglichen wirtschaftlichen, politischen und geopolitischen Nachrichten, die wir konstant konsumieren“, sagt der Fondsmanager. Diese aktuelle Stimmung des Marktes lasse sich an Bewertungen zwar leicht ablesen. Jedoch könne jede Stimmung innerhalb kürzester Zeit ins Gegenteil kippen oder sich wieder vollkommen legen. Makroinvestoren mit einem längeren Zeithorizont sollten jedoch die relevanten Nachrichten sorgfältig beobachten und entscheiden, inwieweit sie Marktrelevanz haben können und vor allem, ob sie ihr Makrobild verändern werden“, sagt Dr. Siviero. „Als zum Beispiel der Krieg in der Ukraine begann, haben wir kurzfristig unser Risiko drastisch verringert: Aktien wurden verkauft und wir haben ‚Safe Haven‘-Positionen wie US-Dollar und US-Treasuries aufgebaut“, erinnert er sich.

Weil Stimmungen am Markt so schnell entstehen und wieder abebben können, sei es wichtig, flexibel zu sein, um die taktische Anpassung der Asset Allokation vornehmen zu können. Wie nachhaltig die Veränderung des Marktsentiments sei, könne dann auch Impulse für die langfristige Positionierung haben. „Politische Entscheidungen, Quartalszahlen oder Ankündigungen von Zentralbanken können auch für Makroinvestoren mit einer langfristigen Strategie so eine gute Chance zum Ein- oder Ausstieg in Werte bieten“.