Dass Bitcoin digitales Gold 2.0 sei, gehört zu den schon klassischen Krypto-Narrativen. In den vergangenen Monaten ist die Korrelation zwischen Bitcoin und Gold tatsächlich gestiegen, was dem Narrativ neuen Auftrieb gegeben hat. „Doch Bitcoin und Gold haben außer ihrer Funktion als Wertspeicher auf den zweiten Blick weniger gemeinsam als gerne unterstellt wird“, sagt Hartmut Giesen, Krypto-Experte bei der Hamburg Sutor Bank.
Theoretisch bestehen viele Gemeinsamkeiten zwischen Bitcoin und Gold. So besagen Stock-to-Flow-Modelle, dass der Zuwachs beim Bitcoin ähnlich dem Zuwachs, also der Förderung, beim Gold ist. Von beiden sind nur begrenzte Mengen verfügbar, beide sind nicht rückverfolgbar und bei beiden besteht kein staatlicher Einfluss auf die Preisentwicklung.
Praxis zeigt: Korrelation von Bitcoin- und Gold-Preis eher zufällig
Jenseits dieser theoretischen Gemeinsamkeiten zeigt die Praxis allerdings, dass sich der Bitcoin-Preis komplett anders verhält als der Gold-Preis. Abgesehen von der generellen, wenn auch zuletzt gesunkenen, Volatilität ähneln Bitcoin und andere Kryptowährungen vielmehr Tech-Aktien. Denn anders als Gold reagiert der Kurs des Bitcoin fast gleichlaufend auf makroökonomische Impulse wie solche Risiko-Assets.
Die derzeit zu beobachtende Korrelation zwischen Gold und Bitcoin ist deshalb eher als zufällig zu werten. Der Goldpreis leidet unter dem starken Dollar. Der reinen Lehre nach sollten die makroökonomischen Daten für einen steigenden Goldpreis sorgen: Inflation, Rezession, Krieg, eigentlich Krisenzeichen, die den Goldpreis historisch steigen ließen. „Aber der starke US-Dollar wirkt diesen Faktoren entgegen“, so Giesen.
Der Bitcoin hat sich in den letzten Wochen zwar stabiler als der Tech-Aktien-Markt gezeigt und schwankt beständig um die 20.000-Euro-Marke. „Ob sich ein schwächerer US-Dollar auf die gleiche Weise auswirken würde wie auf den Goldpreis ist aber fraglich“, so Giesen.
Bitcoin als Wertspeicher – doch in anderen Kontexten als Gold
Unabhängig davon lässt sich feststellen, dass der Bitcoin als Wertspeicher genutzt wird. „Allerdings verhält er sich anders als Gold und wird auch in anderen Kontexten genutzt“, sagt Giesen.
Gold bezieht seinen Basiswert aus einer Seltenheit und der gegenüberstehenden Nachfrage als Edelmetall, das in vielen verschiedenen industriellen und gewerblichen Use Cases benötigt wird: von der Luxus- bis zur Raumfahrt-Industrie. „Seine Bedeutung als Wertspeicher verdankt Gold diesen seit Jahrtausenden bekannten Use Cases“, so Giesen. „Allerdings hat Gold den Nachteil, dass es nur kompliziert übertragbar ist.“
Bitcoin bezieht seinen Basiswert aus seinem realen Wert als Zahlungsmittel und Alternativ-Währung, überall dort, wo staatliche Zahlungssysteme und Währungen nicht funktionieren oder umgangen werden sollen. Dazu kommt ein ideeller Wert, der sich aus dem Gründungsmythos als staatsunabhängiges Geld ergibt. „Dieser findet sich zum Teil auch in den realen Use Cases“, so Giesen. „In diesen Use Cases hat Bitcoin die klassischen Geldfunktionen: Wertspeicher, Tauschmittel, Recheneinheit.“
Bitcoin kommen dabei seine hervorragende Übertragbarkeit und seine Nicht-Rückverfolgbarkeit zugute. „Letzteres teilt er mit Gold, durch ersteres ist er Gold in diesen Use Cases weit überlegen“, sagt Giesen. Gold und Bitcoin sind so gesehen Wertspeicher für unterschiedliche Use Cases – Gold eher für makroökonomische Krisen, Bitcoin eher für Krisen im Geldsystem, in denen neben dem Wertspeicher auch andere Geldeigenschaften gefragt sind, die Gold nicht besitzt. Der Wertspeicher-Charakter von Gold und Bitcoin macht beide interessant für Investoren, die damit ihre Anlage-Portfolios diversifizieren – allerdings in unterschiedliche Richtungen.
„Deshalb ist Bitcoin kein digitales Gold und wird es auch nicht werden“, so Giesen. Sein Preis wird aus anderen Gründen steigen und sinken als der Goldpreis, auch wenn diese Gründe teilweise parallel vorhanden sein sollten und sich temporäre Korrelationen ergeben. Der derzeitige Gleichlauf ist deshalb eher zufällig.