Sutor Bank: Ist eine technische Rezession keine Rezession?

Ein Begriff taucht immer häufiger auf, wenn es um die weiteren konjunkturellen Aussichten geht: technische Rezession. Aus Sicht von Mathias Beil, Leiter Private Banking bei der Hamburger Sutor Bank, ist der Begriff der Rezession klar definiert. „Das Sprechen einiger Marktteilnehmer von einer technischen Rezession erscheint wie der Versuch etwas kleinzureden. Fakt ist, dass die Wirtschaft sowohl in Deutschland als auch in der Eurozone in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen geschrumpft ist, wenn auch nur sehr gering.“ Den Notenbanken komme gerade in dieser Woche, in der sowohl eine Fed- als auch eine EZB-Sitzung mit möglichen weiteren Zinsschritten anstehen, eine bedeutende Rolle zu. Weitere Zinserhöhungen dürften die Aktienmärkte nicht erfreuen.

Rezession: nur eine Definitionssache?

Zu den Bestandteilen einer Rezession zählen eine Vielzahl von Aspekten: Rückgang der Nachfrage, überfüllte Lager, Abbau von Überstunden und beginnende Kurzarbeit, Entlassung von Arbeitskräften, ausbleibende Investitionen, teilweise Stilllegung von Produktionsanlagen, stagnierende oder sinkende Preise, Löhne und Zinsen, fallende Börsenkurse. „In dem jetzigen konjunkturellen Umfeld in Deutschland können wir nur wenige Punkte davon als gegeben feststellen“, erklärt Mathias Beil. „Im Grunde sorgt hauptsächlich der Rückgang des Konsums für das negative Bruttoinlandsprodukt. Die Gewerkschaften bemühen sich um überzogene Lohnforderungen gepaart mit dem Ruf nach der Viertagewoche. Arbeitskräfte sind eher knapp, aber vielleicht stehen wir in einer frühen Phase, in der wir später viele Bestätigungen dieser Liste bekommen“, führt Beil aus.

Ein Auslöser der Situation ist aus Sicht von Mathias Beil zweifellos der Ukraine-Krieg, durch den die Energiepreise initial die Inflation ausgelöst haben, die über Jahrzehnte quasi unbekannt war. „Denkt man an die Ölkrise vor einem halben Jahrhundert, dann bedurfte es einer harten Reaktion der Notenbanken, um der Inflation Herr zu werden. Die Wirtschaft litt lange darunter. Wie auch damals stehen wir vor der Frage, wie hoch die Inflation trotz deutlich erhöhter Zinsen bleibt“, sagt Beil. „Bleibt die Inflation hoch, bleiben die Zinsen hoch oder müssen vielleicht noch steigen. Das ist eine gefährliche Mischung für die Aktienmärkte, da diese Faktoren die Entwicklung einer Rezession begünstigen können“, erklärt Beil.

Im Mai sank nach aktuellen Angaben des Statistischen Bundesamts die Inflationsrate in Deutschland auf 6,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat – und damit auf den tiefsten Stand seit März 2022. Im April lag die Teuerung noch bei 7,2 Prozent. Insbesondere die Energiepreise stiegen deutlich geringer an als noch im Vormonat. Auch in der Eurozone ist die Inflationsrate im Mai auf 6,1 Prozent gefallen (Vormonat: 7,0 Prozent). Das weitere Vorgehen der Notenbanken habe vor diesem Hintergrund aus Sicht von Mathias Beil eine hohe Marktrelevanz. „Weitere Zinserhöhungen dürften die Aktienmärkte nicht erfreuen, wobei der Konsens ist, dass wir spätestens im ersten Quartal 2024 mit Zinssenkungen rechnen dürfen. Insofern bleibt die Hoffnung auf eine ‚technisch Rezession‘, die uns mit einem blauen Auge davonkommen lässt“, sagt Beil.