Der Kursrückgang der Kryptowährungen ist eng verbunden mit der restriktiven Geldpolitik der US-Notenbank. Der Bitcoin als das Aushängeschild der Kryptos hat deshalb solange noch keinen neuen Boden, wie die Fed nicht ihre grundsätzliche Haltung ändert. Doch das ist derzeit noch nicht absehbar. – Ein Kommentar von Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH.
Grundsätzlich sind Kryptowährungen die Assetklasse mit der längsten Duration, also der höchsten Zinssensitivität. Das liegt schlichtweg daran, dass sie keinen eigenen, fundamentalen Wert aufweisen. So werden Bitcoin & Co. zum Liquiditätsgradmesser im Gesamtsystem mit der größten Hebelwirkung. Das war schon immer in den Anstiegsphasen zu sehen, bedeutet aber auch, dass der Bitcoin als Vertreter seiner Anlageklasse überdurchschnittlich unter einer restriktiven Geldpolitik der Fed leidet.
Gut erkennbar wird dies auch an der sehr hohen Korrelation zwischen Bitcoin und Hypergrowth-Tech-Werten. Diese Werte haben bereits früh im vergangenen Jahr, also weit vor den Aktienmarkthochs, ihre Rekordhochs gesetzt und sind seitdem in einem ausgeprägten Bärenmarkt gefangen. Also genau seitdem die Fed angesichts der Inflation einen restriktiven Kurs einschlägt. Die Hypergrowth-Tech-Werte sind letztlich das Aktiensegment mit der längsten Duration, da sie nicht heute die hohen Gewinne machen, sondern ihre hohen Bewertungsniveaus vorrangig durch abgezinste Gewinne der Zukunft erreichen. Dementsprechend ist natürlich die Zinssensitivität hoch, weil der Zinssatz, der in diese Formel einfließt, niedrig war und jetzt sehr stark steigt. Das krasse Gegenteil sind Value-Werte, die mit einer restriktiven Geldpolitik am besten klarkommen.
In jedem Fall bedeutet es, dass der Bitcoin derzeit der Hauptleidtragende der restriktiven Geldpolitik der Fed ist. Deshalb kann der Bitcoin erst dann einen nachhaltigen Boden finden, wenn auch die Fed ihre Geldpolitik wieder nachhaltig verändert, sie also den Restriktivitätsdruck beendet. Das ist bei zwei Szenarien vorstellbar: Entweder der Inflationsdruck nimmt ab und ermöglicht der Fed ein Umsteuern. Oder die restriktive Geldpolitik führt in eine ausgewachsene Rezession, einen noch tieferen Bärenmarkt und nötigt die Fed zum Gegensteuern, um Arbeitsmarkt und Konjunktur nicht gänzlich abzuwürgen.
Dass der Inflationsdruck spürbar sinkt, ist derzeit aber noch nicht erkennbar. Dass aber die restriktive Geldpolitik die Konjunktur in eine Rezession führt, dafür sind die Wahrscheinlichkeiten in den vergangenen zwei Monaten deutlich gestiegen. Das kann zur Folge haben, dass die Fed umschwenkt und wieder lockerer wird. Schließlich hat sie ein doppeltes Mandat: Inflation und Arbeitsmarkt. Beides sind für die Notenbank wichtige Input-Komponenten. Allerdings weiß die Fed auch, dass Rezessionen in der Vergangenheit wirksame Inflationskiller waren.
Derzeit ist von einer Trendwende bei der Fed nichts zu sehen. Die Verwerfungen an den Märkten und in der Konjunktur sind zwar spürbar. Aber noch nicht so, dass die Fed davor Angst bekommt und deswegen wieder stimulativer wird. Insofern bleibt die Fed vorerst restriktiv und damit bleibt auch der entscheidende Gegenwindfaktor für den Bitcoin bestehen.
Führt die Fed-Politik in eine Rezession, ist auch zu erwarten, dass wir nochmal klar neue Tiefs sehen an den Aktienmärkten, aber damit auch wohl beim Bitcoin, denn beides ist ja sehr stark miteinander in der Risk-off-Phase korreliert. So ist es durchaus vorstellbar, dass der Bitcoin die 10.000er-Marke erneut anläuft. Auf diesem Bitcoin-Niveau könnte die Fed dann aber spätestens wieder stimulativ eingreifen. Nicht weil die Fed den Bitcoin stützt. Aber weil dann auch die Aktienmärkte so stark unter Druck gekommen sind, dass die Fed aus Angst vor Konjunkturproblemen wieder lockerer agiert.
Sicher ist, dass der Bitcoin keine unkorrelierte alternative Assetklasse ist, auch wenn das viele Kryptoinvestoren bis heute nicht wahrhaben wollen. Kryptos sind hochgradig korreliert in Risk-on-risk-off-Phasen mit Aktien, insbesondere mit zinssensitiven Aktiensegmenten. Deswegen ist es logisch, dass dieses Assetcluster dieses Jahr so viel leidet. Aber es ergibt zugleich auch Sinn, dass ein geldpolitisches Umschwenken der Fed hier wieder einen gewaltigen Schub auslösen würde.