Die Midterm-Wahlen in den USA lassen die Märkte bislang ratlos zurück. Ein klarer Umschwung zu den als börsenfreundlicher geltenden Republikanern blieb aus, trotzdem könnte Präsident Biden zur lahmen Ente werden. „Doch das muss nicht schlecht sein“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH. „Für die Märkte ist das Handeln der Fed ohnehin wichtiger als das der Politik.“
„Selbst wenn es durch die Wahlen zu einer Pattsituation zwischen den Parteien kommen sollte, sie sich gegenseitig blockieren und damit der zweite Teil von Joe Bidens Präsidentschaft zu einer Lame-Duck-Periode werden würde, muss das nicht schlecht sein für die Börsen“, sagt Bente. Historisch gesehen seien solche Phasen neutral an den Märkten – oder würden sogar begrüßt. „Aus Wirtschafts- und Kapitalmarktsicht nimmt die Politik normalerweise seltener positive, sondern viel eher negative Veränderungen vor“, so Bente. „Zeiten ohne Veränderungen, ohne neue Regulierungen und ohne neue Initiativen sind daher bei Wirtschaft und Wall Street willkommen.“ Planungssicherheit ohne ständige Veränderungen des Umfelds ist ein ganz wesentlicher wirtschaftlicher Faktor. „Insofern wäre eine Lame-Duck-Periode vielleicht durchaus wünschenswert aus Sicht der Börsen“, so Bente.
Auf jeden Fall hat sich der Markt in der Folge der ersten Ergebnisse der Midterms kaum verändert. Eine negative Reaktion auf den noch unsicheren Wahlausgang bleibt bisher aus. „Aus unserer Sicht ist das nicht wirklich ein Wunder“, sagt Bente. „Wir sind der Überzeugung und können das mit empirischen Daten auch gut stützen, dass an der alten Börsenweisheit ‚Politische Börsen haben kurze Beine‘ viel dran ist.“ Die Politik wird landläufig signifikant überschätzt. „Der eigentliche Präsident heißt aus Sicht der Kapitalmärkte ohnehin nicht Joe Biden, sondern Jerome Powell“, so Bente. Denn am Ende zählt für die Trendentfaltung an den Aktienmärkten, was die Zentralbank macht.
Politische Börsen produzieren kurzfristige Volatilitäten, was schon unter Trumps Präsidentschaft zu sehen war. „So hat auch Trump nie die großen Trends erzeugt, sondern schon damals die Fed“, sagt Bente. „Insofern ist das wichtigere Ereignis in dieser Woche nicht die Wahl, sondern die Inflationsveröffentlichung am Donnerstag (10.11.2022)“, so Bente. „Hier ist die Frage, ob es jetzt zu einer Trendwende bei der Inflation kommt und zu Entspannungssignalen, was seit vielen Monaten vom Markt erwartet wird, aber bisher immer wieder enttäuscht wurde.“ Doch auch das werde das Verhalten der Fed nicht unmittelbar beeinflussen. „Die Fed hat schon klar gemacht, dass sie die Inflation wirklich final niederringen möchte“, sagt Bente. „Und für eine große monetäre Trendwende im Verhalten der Fed wird sicherlich ein erster positiver Datenpunkt nicht ausreichen.“ Dennoch wäre es zumindest ein Indiz dafür, dass sich die aktuelle Bärenmarktrallye fortsetzen könnte, wenn es nicht permanent neuen Druck vonseiten der Inflation gibt. „Nichtsdestotrotz erwarten wir, dass sich die restriktive Geldpolitik früher oder später konjunkturell auswirken wird und daher ist die gegenwärtige Rallye unserer Einschätzung nach nur eine Bärenmarktrallye“, sagt Bente.