In dieser Woche könnte die Fed den Anfang der Zinswende einläuten, indem sie von stetig restriktiv auf nicht mehr restriktiv umschaltet. „Die Märkte würden das zunächst wahrscheinlich mit einem Freudentanz feiern“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH. „Doch danach steht historisch gesehen eine zweite Abwärtswelle an den Märkten an.“
Von der Sitzung der US-Notenbank Fed in dieser Woche wird eine Entscheidung über den künftigen Kurs erwartet. „Wir nähern uns sicherlich dem Ende des Zinserhöhungszyklus“, sagt Bente. „Vielleicht endet er dann auch schon in dieser Woche.“ Die wahrscheinlich folgende Euphorie an den Märkten wird aber nur kurzfristig sein. Denn der Markt ist seit anderthalb Jahren monozentriert auf Inflation. Zeigt die Fed jetzt durch ein Ende der Zinserhöhungen an, dass sie diese für besiegt hält, könnte es am Aktienmarkt zum Ausbruch nach oben kommen. Entsprechend liegt hier auch der Fed-Pivotpunkt, also der Punkt, an dem die Fed von restriktiv auf nicht mehr restriktiv umschaltet, weil sie die Zinsen nicht weiter erhöht. Ein echter Wendepunkt, der landläufig bullish interpretiert wird.
Doch das greift zu kurz. In der Vergangenheit war dieser Punkt immer nur das Ende der ersten Abwärtswelle des Bärenmarktes. „Diese wird dann im Normalfall abgelöst von der zweiten Abwärtswelle, die konjunkturell getrieben ist“, so Bente. „Es hat ja schließlich einen Grund, warum die Fed aufhört, restriktiv zu sein: weil die Inflation sinkt, was in aller Regel Hand in Hand mit einer Wachstumsverlangsamung geht, insbesondere wenn sie nachhaltig sinkt.“
Dabei ist der Beginn einer Rezession mitnichten der Punkt in der Vergangenheit gewesen, an dem die Aktienmärkte ihr Tief bereits markiert hatten. Dementsprechend markieren die Aktienmärkte für gewöhnlich auch nicht am Fed-Pivotpunkt, am Wendepunkt der Geldpolitik, ihr Tief, sondern nachdem die Fed bereits wieder stimulativer geworden ist. „Die Notenbanken werden nur stimulativer, weil sie auf negative, konjunkturelle Entwicklungen, sprich eine Rezession, reagieren müssen“, sagt Bente. Eine Rezession geht aber in der Regel mit Gewinnrückgängen bei Unternehmen einher. Das bedeutet, dass der Markt in dieser zweiten Abwärtswelle des Bärenmarktes den Blick wandelt von den monetären Belastungsfaktoren zu den konjunkturellen.
„Deshalb sind zumindest die Anfänge entlastender Geldpolitik keine gute Meldung, sondern sie sind Ausdruck der schlechten konjunkturellen Nachrichten“, so Bente. „Sollte aus der aktuellen monetären Restriktivität der Regelfall einer zeitversetzt entstehenden Rezession werden, dann wäre es keine gute Botschaft, wenn die Fed aufhört, die Zinsen zu erhöhen – selbst wenn das zunächst einmal vielleicht als eine gute Nachricht in dieser Woche gefeiert wird.“
Erst einmal kam es bisher in der Geschichte, 1966, nach einer derart restriktiven Phase der Notenbanken, wie sie seit Anfang 2022 zu sehen ist, nicht zu einer Rezession. Sollte sich dieser Fall wiederholen, wäre die Zinswende ein Pivotpunkt, der im Nachhinein die bisher steigenden Aktienmärkte bestätigen würde. „Denn wenn es nicht zur Rezession kommt, dann kommt es ja auch nicht zum zweiten Belastungsfaktor, der Rezession. Und wenn der erste Belastungsfaktor, die restriktive Geldpolitik, endet, dann wäre entsprechend der Weg nach oben frei und neue Allzeithochs wären sicherlich die Folge“, sagt Bente. „1966 ist es genau so gekommen und auch heute ist es möglich, aber doch unwahrscheinlich. Die historische Regel ist, dass es nach einem solchen monetären Restriktivitätsschock sehr viel häufiger zur Rezession kommt als zum 1966-er Case.“