Vates Invest: Notenbankpolitik: Zweifel am Soft Landing

Fast fünfzehn Jahre war die Fed der Freund der Märkte – jetzt wandelt sie sich zum Feind. Statt Liquidität in die Märkte zu pumpen, bekämpft sie die Inflation mit harten Reaktionen. „Vielleicht ist die Notenbankpolitik sogar überhart und führt in eine klassische Stagflation“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH. „Ein schneller Wechsel aus Bust und Boom wie in den 1970er-Jahren ist wahrscheinlich.“

Lange Zeit hielten Politik und Notenbanken an der Darstellung fest, die steigenden Inflationsraten seien nur vorübergehend, gründeten sich auf Einmaleffekte und bald schon sei alles wieder im Lot. „Das war vor anderthalb Jahren und mittlerweile stehen die Inflationsraten auf Niveaus, wie sie seit den 1970er-Jahren nicht mehr gesehen wurden. Lange Zeit wurde argumentiert, es seien doch nur Basiseffekte, Sonderfaktoren, Energiepreise oder irgendwelche kleineren Branchen, in denen es Knappheiten aufgrund der Coronaverwerfungen gebe, die die Preise kurzfristig anheizten. „Doch all diese Argumente für einen temporären Inflationsanstieg sind nicht richtig“, sagt Bente. „So sehen wir nicht nur selektiv Preise steigen, sondern auch die Kernraten der Inflationsstatistiker liegen deutlich jenseits der Komfortzone der Notenbanker.“

Die Inflation zeigt sich viel tiefgreifender, viel struktureller als gedacht. „Nach gut einem Jahr hat das dann auch die Fed so klar realisiert, dass sie sich um 180 Grad gedreht hat, sehr hawkish geworden ist, sehr restriktiv“, sagt Bente. Die Zinsen steigen, inzwischen preist der Markt bis zu neun Zinserhöhungen ein. Im Mai startet zudem noch der Bilanzabbau mit einem quantitative Tightening. „Das alles heißt: Der Markt sieht sich mit Liquiditätsentzug konfrontiert und hat darauf auch zum ersten Mal spürbar reagiert“, sagt Bente. „Die Frage ist nun, ob die Fed ein Soft Landing schafft.“

Ein Soft Landing, also die Bekämpfung der Inflation ohne ein Abwürgen der Wirtschaft und ohne einen Absturz am Aktienmarkt, ist das großes Ziel der Notenbanken weltweit. „Die Fed hoffte immer wieder in der Geschichte, dies zu schaffen, hat es aber nur sehr selten hingekriegt“, so Bente. „Insofern ist Skepsis angebracht, es bestehen spürbare Abwärtsrisiken an den Aktienmärkten.“

Zumal dann, wenn die Inflation aufgrund der strukturellen Kräfte doch nachhaltiger ist und sich von der Notenbank nicht deutlich drücken lässt: „Dann kann es ähnlich wie in der 1970er-Jahren dazu führen, dass sie auch durch schwaches Wachstum nicht wirklich zurückkommt und es eine harte Rezession braucht, um die Inflation wieder zu dämpfen“, sagt Bente. Und selbst dies ist nicht sicher: „Auch das war ein Merkmal der strukturellen Inflation der 1970er-Jahre, dass selbst eine Rezession die Preissteigerungen nur temporär aufhalten konnte.“ Mit dem dann folgenden Aufschwung kam jeweils auch die Inflation nachhaltig zurück. „Es reihten sich ständig diese Boom-Bust-Zyklen aneinander“, so Bente. Die Notenbanken entzogen dem Markt Liquidität und der Wirtschaft gleich mit, um die Inflation zu bekämpfen, weshalb es wieder in die Rezession mündete. „Die Notenbank wurde in ihrer Reaktion laxer, die Gegenmaßnahmen lösten dann erneut einen kleinen Strohfeuer-Boom aus und dann zog die Inflation direkt wieder an“, beschreibt Bente das Phänomen in den 1970er-Jahren. „Das wäre heute auch denkbar und es wäre das ganz negative Umfeld – im Prinzip jahrelange Stagflation“, so Bente.

Ob es so weit kommt, ist noch nicht endgültig absehbar. In jedem Fall wäre eine solche Entwicklung ein ungünstiges Umfeld für die Aktienmärkte. „Einerseits fehlt der Liquiditätssupport, auf der anderen Seite sind die Gewinnerwartungen nicht einzuhalten“, sagt Bente. „Die Fed wird so derzeit zum Feind der Märkte und ist nicht mehr der Freund, so wie sie es fast 15 Jahre lang war.“