RWC Partners: China bleibt auf Kurs

Der Fall Evergrande wirft Fragen zum chinesischen Immobilienmarkt sowie den kommenden politischen Regulierungen und deren Konsequenzen auf. Sagt Colin Liang, Head of China Research und Portfolio-Manager bei RWC Partners in einem Marktkommentar.

„Zum jetzigen Zeitpunkt ist unser China-Team der Ansicht, dass Evergrande zwar stark fremdfinanziert ist, aber kein systemisches Risiko darstellt, da Evergrande über den Zugang zu einer großen Landesbank sowie eine starke Pipeline für Erneuerungen in Tier 1 und Tier 2 Städten verfügt. Es gibt zahlreiche Präzedenzfälle, in denen Unternehmen Vermögenswerte mit einem Abschlag verkaufen mussten, um den Verschuldungsgrad zu verringern, und/oder in denen strategische Investoren einstiegen und das Unternehmen unter staatlicher Anleitung vollständig umstrukturiert wurde.

Jüngste Berichte deuten darauf hin, dass Evergrande aufgrund der angespannten Liquiditätslage in der gesamten Branche eine Verlangsamung der Wohnungs- und Grundstücksverkäufe erlebt hat. Der Abwärtstrend bei den Verkaufsraten, der durch das schwindende Vertrauen der Hauskäufer verursacht wird, übt zusätzlichen Druck auf das Unternehmen aus. Evergrandes 1,2 Billionen RMB an Krediten plus Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen machen etwa 40 Prozent des gesamten Kreditvolumens in China aus. Die Probleme können, unserer Ansicht nach, behoben werden, wenn gut kapitalisierte staatliche Immobilienentwickler einspringen und das Unternehmen übernehmen. Die staatlichen Aufsichtsbehörden, Chinas Notenbank PBoC und die  China Banking and Insurance Regulatory Commission (CBIRC), sind sich des Problems sehr bewusst, wollen aber nicht zu offensiv vorgehen, um die Moral im Land nicht zu gefährden.

Chinesischer Immobilienmarkt ist intakt 

Außerdem sind wir der Meinung, dass der chinesische Immobilienmarkt intakt ist und der kurzfristige Rückgang sowie der Liquiditätsabfluss auf die Regulierung zurückzuführen sind. Wir sind der Ansicht, dass die Regierung das Finanzsystem nach wie vor fest im Griff hat und Systemrisiken in jedem Fall vermieden werden sollen.

Nach wie vor gehen wir davon aus, dass die Ansteckungsgefahren, die von Evergrande ausgehen, durch politische Maßnahmen und eine breit angelegte Unterstützung des Immobilien-Sektors eingedämmt werden können, doch wir sind auch der Meinung, dass jede Verzögerung bei der Bereitstellung von Unterstützungen ein Abwärtsrisiko darstellt.

Regulierungsrisiko in China

2021 war bisher in China ein Politik-lastiges Jahr. Die chinesische Regierung versucht durch ihre Regulierungen den allgemeinen Wohlstand voranzutreiben und die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern. Ihr Ziel ist es, die soziale Mobilität zu erhöhen und sicherzustellen, dass die Armen eine größere Chance haben, in der sozialen Hierarchie aufzusteigen, was zu einer größeren sozialen Stabilität führen wird.

Wir bleiben in den Sektoren, die mit politischem Gegenwind konfrontiert werden, wie Internettechnologie, Immobilien und Bildung untergewichtet, da diese Sektoren in Zukunft beeinträchtigt werden könnten. Wir glauben jedoch nicht, dass die regulatorischen Neuerungen die Attraktivität Chinas insgesamt schmälern. 

Wir beobachten die Vorgaben der Regierung weiterhin aufmerksam und investieren vor allem in die Bereiche der Wirtschaft, denen auch die chinesische Regierung hohe Bedeutung beimisst, zum Beispiel Konsumgüter, Reisen und grüne Energie.“