Ethenea: USA vs Microsoft

Unternehmensbewertungen halten die Weltwirtschaft seit jeher in Atem. Erfreuliche Nachrichten sind hier allerdings in letzter Zeit rar geworden. Eine Ausnahme bildet Microsoft. Fitch stufte das Unternehmen im April auf ‚AAA‘, womit Microsoft nun das einzige verbliebene Blue-Chip-Unternehmen mit dem bestmöglichen Rating aller großen Ratingagenturen ist. „Zum Vergleich: In den 1980er Jahren wiesen noch knapp 60 Unternehmen das Top-Rating auf. Die Liste reichte von General Electric über Pfizer und Merck bis hin zu Coca-Cola und UPS. Im Laufe der Zeit konnte allerdings keiner den billigeren Finanzierungsbedingungen widerstehen, so dass der Verschuldungsgrad stieg und das Kreditrating sank“, erklärt Dr. Tobias Burggraf, Portfolio Manager bei Ethenea Independent Investors S.A.. Das Rating von Microsoft nimmt Burggraf zum Anlass, einen genaueren Blick auf das Unternehmen zu werfen. Als Vergleichswert zieht er US-Staatsanleihen heran, die im Allgemeinen zu den sichersten Vermögenswerten der Welt zählen, und vergleicht beide Werte über vier Runden miteinander: Rating-Agenturen, Finanzwerte, Renditen und Nachhaltigkeit.

Runde 1: Rating-Agenturen

„Was Microsofts Kreditwürdigkeit auf ein solch stabiles Fundament stellt, ist die Stärke des Unternehmens im bewährten Softwaregeschäft rund um das Windows-Betriebssystem, gepaart mit dem rapide wachsenden Cloud-Geschäft. Dieses Zusammenspiel ist ein wichtiger Grund für das Top-Rating der großen Agenturen“, erläutert Burggraf. Die USA dagegen würden nur von Moody’s mit AAA und einem stabilen Ausblick bewertet, während Fitch das AAA-Rating im Juli 2020 mit einem negativen Ausblick versehen hat. „S&P hat die USA bereits im August 2011 auf AA+ herabgestuft. Hier erkennt man zwar nach wie vor die Strahlkraft der größten Volkswirtschaft weltweit an, doch die steigende Staatsverschuldung und die Haushaltsdefizite, die in den letzten zehn Jahren aufgebaut wurden und während der Pandemie nochmals sprunghaft angestiegen sind, sind weiterhin hemmende Faktoren und verhindern eine weitere Anhebung des Ratings.“

USA gegen Microsoft 0:1

 Runde 2: Finanzwerte

In Bezug auf Finanzkennzahlen wie Barmittel, Schulden und Erträge steht Microsoft ebenso gut da. Mit 125 Mrd. USD verfügt Microsoft über mehr Barmittel als Verbindlichkeiten (81 Mrd. US-Dollar) und ist damit auf Nettobasis praktisch schuldenfrei. Im Gegensatz dazu steigt die Schuldenlast der Vereinigten Staaten aufgrund ihres hohen Haushalts- und Leistungsbilanzdefizits weiter an. „Die Staatsverschuldung der USA hat die Marke von 28 Billionen US-Dollar überschritten und wächst im laufenden Haushaltsjahr um 2,1 Billionen US-Dollar. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese Schulden in absehbarer Zeit deutlich reduziert werden“, schätzt Burggraf die Lage ein.

USA gegen Microsoft 0:2

Runde 3: Renditen

Diese Runde erscheint auf den ersten Blick ebenso klar: Eine von Microsoft ausgegebene Anleihe mit Laufzeitende 2028 erbringt immer noch eine höhere Rendite als eine vom US-Finanzministerium ausgegebene Anleihe. So liefert eine 2028er Microsoft-Anleihe mit einem Zinssatz von 2,40 Prozent bei einem aktuellen Kurs von 106,5 USD etwa 0,88 Prozent, während eine vergleichbare US-Staatsanleihe 0,80 Prozent abwirft, was einen Spread von etwa 8 Basispunkten ergibt. Und Microsoft holt weiter auf. „Während der Spread im Jahr 2016 bei etwa 75 Basispunkten lag, ist die Differenz im Laufe der Zeit immer kleiner geworden, mit Ausnahme der turbulentesten Phase der Pandemie, als die Spreads von Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen in die Höhe schnellten“, so der Portfolio Manager.

„Es ist durchaus denkbar, dass sich die Spreads in Zukunft weiter einengen werden, aber die Corona-Krise hat einmal mehr die Stärke und das wichtigste Kaufargument für US-Staatsanleihen unter Beweis gestellt: In Zeiten finanzieller und wirtschaftlicher Unsicherheit bieten sie als nahezu einzige Anlageklasse eine Absicherung gegen Kursverluste.“

USA gegen Microsoft 1:2

Runde 4: Nachhaltigkeit

Nachhaltiges Anlagemanagement ist ein Thema von stetig wachsender Bedeutung. Auch wenn ein Vergleich zwischen Unternehmen und Staaten schwierig fallen mag, wirft Tobias Burggraf einen Blick auf die wichtigsten ESG-Scores für Microsoft, die sich hier stark präsentieren. MSCI versieht Microsoft mit einem ESG-Rating AAA, der Sustainalytics ESG-Risk Score des Unternehmens liegt bei 14,6 (geringes Risiko, Platz 11 von 308 Unternehmen in dieser Teilbranche).

„Einer kürzlich erschienenen Studie zufolge schätzt FTSE Russell, dass das Pro-Kopf-BIP der USA in einer stark vom Klimawandel gezeichneten Welt um etwa 20 Prozent niedriger ausfallen würde als in einer Welt gänzlich ohne Klimawandel. Das bedeutet für die USA, dass sie nur Rang 19 unter 26 untersuchten Ländern einnehmen“, so Burggraf. „Der Global Freedom Score von Freedom House nimmt sozio-gesellschaftliche Faktoren wie Meinungsfreiheit oder Gleichheit vor dem Gesetz in den Fokus. Hier rangieren die USA an 58. Stelle von 210 Ländern und sind damit zwar besser als der Durchschnitt, platzieren sich aber auch hier nicht innerhalb den besten 25 Prozent.“

Endstand: USA gegen Microsoft 1:3

Dr. Tobias Burggraf zieht Bilanz: „Die Anleihen von Microsoft rentieren mittlerweile nahe an den als risikolos geltenden US-Treasuries. Gut möglich, dass sich der Renditeunterschied zukünftig weiter verringern wird. Da nur wenige Anleihen mit AAA-Rating im Markt zu finden sind, bleibt Microsoft weiterhin ein attraktives Investment für risikobewusste Anleger, insbesondere für institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen. Gleichzeitig muss das US-Finanzministerium weiterhin Anleihen ausgeben, um das massive Haushaltsdefizit zu finanzieren. Das dürfte die Renditen für US-Staatsanleihen zumindest mittelfristig, spätestens nach Auslaufen der Unterstützungsprogramme der US-Zentralbank, weiter steigen lassen.“

„US-Staatsanleihen bleiben auf absehbare Zeit für institutionelle Anleger die Anlageklasse der Wahl. Sie sind extrem liquide und bieten einer der wenigen sicheren Häfen im Bereich der Anleihen. Dennoch stellt Microsoft angesichts der positiven Aussichten und des wachsenden Haushaltsdefizits des US-Finanzministeriums mittlerweile eine echte Alternative dar.“