Europäische Aktien handeln derzeit mit einem Abschlag von 35 Prozent zu US-Aktien, was selbst langjährige Experten in Staunen versetzt: „Noch nie in meiner Karriere waren europäische Aktien mit einem größeren Abschlag zu US-Aktien bewertet als zu Beginn dieses Jahres, als dieser bei 40 Prozent lag. Dieser Abschlag bietet sehr viel Potenzial für Anleger, auch wenn er sich im Laufe des Jahres leicht auf 35 Prozent verringert hat“, erklärt Michael Barakos, seit über 20 Jahren Portfolio-Manager für europäische Aktien in der International Equity Group von J.P. Morgan Asset Management. Entscheidend dabei ist für ihn, dass dieser Bewertungsabschlag nicht einfach auf die unterschiedliche Sektorzusammensetzung zwischen Europa und den USA zurückzuführen sei. „Innerhalb jedes einzelnen Sektors handeln europäische Aktien mit einem Abschlag von mindestens 10 Prozent, in einigen Fällen sogar von 50 bis 60 Prozent zu ihren US-Pendants“, betont Barakos.
Attraktive Bewertungen trotz guter Performance
Der Fondsmanager betont, dass Europa derzeit zwar nicht so günstig bewertet sei, wie etwa auf dem Höhepunkt der Eurozonen-Krise 2012 oder der Pandemie 2020, doch im Vergleich zu US-Aktien sei der Bewertungsabschlag nach wie vor erheblich. Der europäische Markt ist traditionell stärker auf Value-Sektoren und Old-Economy-Titel ausgerichtet, während die USA von hochwertigen Wachstumstiteln dominiert werden. Besonders bemerkenswert ist laut Michael Barakos, dass selbst im direkten Sektorvergleich europäische Aktien durchweg günstiger sind.
Barakos hebt zudem die aktuelle Bewertungssituation bei Small- und Mid-Cap-Aktien hervor: „Kleinere und mittlere Unternehmen sind in den letzten Jahren regelrecht aus der Mode gekommen. Üblicherweise handeln sie mit einem Aufschlag zu Large Caps. Doch aktuell ist es umgekehrt“, sagt Barakos. Small und Mid Caps handelten derzeit mit einem Abschlag von fünf bis zehn Prozent zu Large Caps, was eine historisch außergewöhnliche Situation darstelle.
Value dominiert in Europa seit fünf Jahren
Die attraktiven Bewertungen spiegeln sich laut dem Fondsmanager bereits in der Performance wider: Während Value-Aktien in den USA weiterhin hinter Growth-Titeln zurückblieben, stellt sich das Bild in Europa fundamental anders da. „In den USA ist die Geschichte eine ganz andere aufgrund der Magnificent Seven. Aber im Rest der Welt, vorneweg in Europa, aber auch in Japan oder den Schwellenländern, hat Value Growth bereits seit fünf Jahren kontinuierlich outperformt“, erklärt Barakos.
Diese Outperformance sei kein Zufall: „Wir befinden uns nicht mehr in einem Nullzinsumfeld. Die Rückkehr zu normalisierten Zinsen begünstigt Value-Titel historisch deutlich“, erklärt der Aktienstratege. Historische Daten über 50 Jahre zeigten, dass Value als Anlagestil in normalisierten Zinsumfeldern systematisch besser abgeschnitten hat als Growth.
Strategischer Wendepunkt: Von global zu binnenorientiert
Parallel zur Value-Outperformance vollzieht sich ein strategischer Shift in der Portfolioausrichtung. „Über Jahrzehnte war das Erfolgsrezept bei europäischen Aktien, auf international ausgerichtete Champions zu setzen, also Unternehmen, die den Großteil ihrer Umsätze außerhalb Europas generieren“, erklärt Michael Barakos. „Erstmals seit Jahren haben wir diese Strategie fundamental umgestellt und fokussieren uns nun auf binnenorientierte europäische Titel“, führt Barakos aus.
Hintergrund dieser Neuausrichtung sind die massiven Fiskalprogramme, die Europa – allen voran Deutschland – aufgelegt hat. Das aus Sicht von Michael Barakos „monumentale“ deutsche Investitionsprogramm schaffe konkrete Wachstumsperspektiven für heimische Unternehmen. „Die Debatte wird nicht sein, ob Wachstum kommt, sondern wie viel“, ist sich Barakos sicher.
Geld- und Fiskalpolitik im Gleichklang
Die EZB hat im vergangenen Sommer erstmals in der Geschichte vor der US-Notenbank Fed mit Zinssenkungen begonnen. Diese Ausrichtung der Geld- und Fiskalpolitik auf ein Unterstützen des Wachstums stimmt aus Sicht von Michael Barakos optimistisch für den Ausblick der europäischen Wirtschaft. Hinzu komme ein funktionierendes, gut kapitalisiertes Bankensystem. Dies sei angesichts der starken Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft von Bankenfinanzierung ein entscheidender Vorteil.
Europäische Banken sieht Barakos daher auch als wichtige Profiteure des veränderten Umfelds. „Der Bankensektor hat seit November 2020 den breiten Markt durchweg outperformt“, erklärt Barakos. Im Industriesektor seien insbesondere binnenorientierte Unternehmen gut positioniert. Auch Unternehmen aus dem Infrastrukturbereich würden profitieren. Der Infrastrukturausbau habe einen besonders starken Multiplikatoreffekt auf die breitere Wirtschaft, während Verteidigungsausgaben eher gegen Ende des Jahrzehnts ihre volle Wirkung entfalten würden.
Diversifikation: Korrelation von nur 0,3 zu US-Wachstumsaktien
Einen der wichtigsten Gründe für ein Investment in europäische Aktien sieht Barakos in der Diversifikation: „Die historische Korrelation europäischer Aktien zu US-Wachstumsaktien liegt bei etwa 0,5. Bei aktiv gemanagten europäischen Value-Strategien sinkt diese Korrelation sogar auf 0,3.“ Dies biete erheblichen Diversifikationsnutzen, ohne auf Rendite verzichten zu müssen. Die niedrige Korrelation zeige sich besonders in Krisenphasen: „Als im Januar dieses Jahres der ‚Deep Seek Monday‘ die US-Tech-Werte um 300 Basispunkte nach unten zog, legten europäische Value-Werte zu. Im gesamten ersten Quartal, als US-Aktien zehn Prozent verloren, gewann Value in Europa über zehn Prozent“, erläutert Barakos. Auch 2022, als die Magnificent Seven durchschnittlich um die Hälfte fielen und US-Aktien insgesamt rund 30 Prozent verloren, hätten europäische Value-Aktien kaum Verluste verzeichnet. „Seit dem Tief der Pandemie im März 2020 oder dem Beginn des Ukraine-Kriegs haben sich europäische Aktien auf Augenhöhe mit US-Aktien entwickelt. Mit aktiv gemanagten Strategien konnten Anleger sogar bessere Renditen als mit dem S&P 500 erzielen“, so Barakos weiter. Die veränderten Rahmenbedingungen spiegeln sich auch in den Kapitalströmen wider: Seit Beginn dieses Jahres haben die Zuflüsse in europäische Aktien stark zugenommen.
Mit aktiv gemanagten europäischen Aktienfonds aktuelle Chancen nutzen
Der JPMorgan Funds – Europe Strategic Value Fund ist im aktuellen Umfeld mit seinem konsequenten Value-Ansatz besonders gut positioniert. „Wir haben in den letzten Monaten unsere Gewichtung in binnenorientierten Titeln deutlich erhöht“, erklärt Barakos mit Blick auf das Portfolio. Schwerpunkte liegen derzeit auf europäischen Banken, die von der normalisierten Zinsstruktur profitieren, sowie auf Unternehmen im Infrastruktur- und Bausektor. Auch der Bereich Cyber-Security bietet interessante Value-Opportunitäten.
Der JPMorgan Funds – Europe Equity Plus Fund strebt danach, mit seiner Active-Extension-Strategie (130/30-Ansatz) sowohl Long- als auch Short-Chancen im aktuellen Umfeld zu nutzen. „Gerade bei Small und Mid Caps sehen wir enorme Opportunitäten auf der Long-Seite, während wir auf der Short-Seite überbewertete Growth-Titel aus der Pandemie-Ära identifizieren können“, so Barakos. Das Team managt die Strategie seit knapp 20 Jahren mit einem bewährten Bottom-up-Ansatz.

