Die USA gelten als Hort des freien Unternehmertums. Doch inzwischen schlägt die US-Regierung ungewöhnliche Wege ein: Sie fördert Unternehmen nicht nur mit staatlichen Milliarden, sie kauft sich auch direkt in Aktiengesellschaften ein. So hat Trump gerade verkündet, bis zu zehn Prozent an der kanadischen Minengesellschaft Lithium Americas übernehmen zu wollen, die Amerikas größte Lithiummine in Nevada erschließt. Damit wird die amerikanische Industriepolitik neu definiert. „Es droht eine Vermischung von politischen und unternehmerischen Interessen“, kommentiert Thorsten Fischer, Managing Director und Head of Portfolio Management bei Moventum AM. „Für Anleger bedeutet diese Entwicklung ein neues strukturelles Risiko.“
In einem spektakulären Schritt hatte sich die US-Regierung vor Kurzem schon knapp zehn Prozent am Chip-Riesen Intel gesichert – ein klares Signal für die strategische Bedeutung des Halbleitersektors im globalen Ringen um technologische Souveränität. Auch ein Einstieg Washingtons bei der Plattform TikTok war in der Vergangenheit bereits diskutiert worden. Zudem hat die US-Regierung einen Anteil an einem Produzenten Seltener Erden erworben und sich über eine „goldene Aktie“ unternehmerischen Einfluss bei der U.S. Steel gesichert, als diese von der japanischen Nippon Steel übernommen wurde. Weitere Beteiligungen sind angedacht, besonders bei Rüstungsfirmen.
Offiziell rechtfertigen die Befürworter den staatlichen Einstieg als notwendige Standortförderung und Garant für technologische Unabhängigkeit. Die USA wollen als weltweite Innovationsmacht konkurrenzfähig bleiben und ihre Versorgungsketten gegen geopolitische Risiken absichern. Kritiker sehen die neue Industriepolitik hingegen als Gratwanderung: „Zwischen Förderung und Intervention verschwimmen die Linien“, sagt Fischer. „Ein Kurs, der für manche bereits nach Sozialismus light schmeckt.“
Sobald der Staat als Aktionär auftaucht, rücken politische Zielsetzungen unweigerlich näher an die Unternehmensleitung, selbst wenn diese Aktien ohne Stimmrecht sind. Washington mag nur Dividenden und offiziell keine Entscheidungsbefugnisse erhalten – die Signalwirkung bleibt dennoch enorm. „Jeder Investor weiß, dass sich politische Rahmenbedingungen und Eigentumsstrukturen mit künftigen Regierungen schnell ändern können, was das Investitionsumfeld verunsichert“, erklärt Fischer.
Mit dem Staat als Anteilseigner erwächst Anlegern ein neues Risiko: Unternehmensentscheidungen könnten künftig durch politische Agenden geprägt werden. Das schmälert möglicherweise die Attraktivität der betroffenen Aktien und verzerrt den Wettbewerb zwischen Unternehmen mit und ohne staatliche Rückendeckung. Manche Firmen profitieren von günstigerem Kapital, während Wettbewerber unter Druck geraten – ein Zwei-Klassen-Kapitalismus könnte entstehen.
Langfristig droht außerdem eine Innovationsfalle: „Staatliche Beteiligungen bieten zwar kurzfristig finanzielle Stabilität und sichern bestehende Strukturen“, so Fischer. „Doch wenn Firmen diese Sicherheit als Selbstverständlichkeit wahrnehmen, könnten sie risikoscheuer werden und weniger dynamisch agieren.“ Damit geriete genau jene Innovationskraft in Gefahr, die die USA eigentlich durch solche Maßnahmen stärken wollen.
Bedenklich ist auch, dass das neue US-Modell Nachfolger finden könnte. „Werden die USA gezielt zum strategischen Aktionär von Unternehmen, die als wichtig auserkoren wurden, werden sich auch Politiker in China, Europa oder anderen Regionen fragen: Warum sollten wir uns zurückhalten?“, sagt Fischer. Möglich werde damit eine neue Ära industriepolitischer Interventionen, die global zu einem Wettbewerb um politisch geschützte Industriebereiche führen. „Die Risiken sind real“, so Fischer. Noch könne niemand sagen, ob Washingtons Strategie die technologische Führung sichert oder langfristig zu mehr staatlicher Einmischung, Marktverzerrungen und Innovationshemmnissen führt. „Was als strategische Industriepolitik beginnt, könnte globale Dynamiken entfesseln. Die Büchse der Pandora ist womöglich bereits geöffnet“, sagt Fischer.
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