Sutor Bank: Chapeau Madame Lagarde!

Sie hat es doch getan. Lange Zeit hatte man den Eindruck, dass die EZB ihre Entscheidungen im Windschatten der Fed trifft. Doch nun haben Christine Lagarde und die EZB trotz wieder etwas höherer Inflationserwartungen erstmals seit 2019 die Leitzinsen gesenkt. „Ein durchaus mutiger Schritt angesichts der Datenlage“, sagt Mathias Beil, Leiter Private Banking bei der Sutor Bank. „Die EZB gewinnt an Selbstvertrauen – und die Märkte wird es freuen.“

Die EZB hat auf ihrer Sitzung die Leitzinsen von bisher 4 auf nun 3,75 Prozent gesenkt. Zwar fiel die Entscheidung nicht einstimmig, doch nur ein Ratsmitglied war wohl gegen die Senkung. Lagarde zeigte sich sicher, das Inflationsziel von 2 Prozent zweifelsfrei zu erreichen.

Überraschend kommt die Zinssenkung nicht, viele Marktteilnehmer hatten damit gerechnet. „Etwas überraschend ist vielmehr, dass die EZB die wieder höheren Inflationserwartungen nicht als Ausrede benutzt hat, die Zinsen unverändert zu belassen“, sagt Beil. Bislang war die EZB unter Lagarde nicht durch eine besondere Eigenständigkeit aufgefallen. „In der Regel lief die EZB den Entscheidungen der Fed hinterher“, so Beil. „Dass sie sich hier aus dem Windschatten traut, ist eine gute Nachricht.“

Denn zum einen ist es ein Signal, für die eigene Glaubwürdigkeit einzutreten. Offenbar traut sich die EZB aber vor allem zu, das selbst ausgerufene Inflationsziel von 2 Prozent auch tatsächlich erreichen zu können. Schon heute ist erstaunlich, dass sowohl die Verbraucher als auch die Unternehmen den zurückliegenden Zinsanstieg und die hohe Inflation einigermaßen gut verkraftet haben. „Nach vorne geblickt bedeutet die Zinssenkung, dass die Konjunktur durch sinkende Zinsen belebt wird“, sagt Beil. „Den Aktienmärkten dürfte das gut gefallen.“

Auch eine Normalisierung der noch immer inversen Zinsstrukturkurve sollte nicht mehr lange auf sich warten lassen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsen am kurzen Ende jetzt sinken, ist recht groß“, sagt Beil. Auch ihre Rolle am Rentenmarkt wird die EZB neu definieren. „In den vergangenen Jahren ist die EZB am Rentenmarkt als Anleihekäufer aufgetreten“, so Beil. „Das soll nun zurückgefahren werden.“ Spannend wird sein, ob die Spreads zwischen den Ländern in Europa sich dadurch wieder ausweiten, und ob in dem Zusammenhang die Stabilität des Euros erneut getestet wird. „In jedem Fall ist die neue, eigenständigere EZB aber ein gutes Zeichen für den europäischen Markt – und auch für die europäische Wirtschaft“, sagt Beil.