Die Notenbanken nehmen bei der Bekämpfung der Inflation das Tempo zurück – und die Märkte geben trotzdem nach. „Der Fokus wandert von der Zinsseite zu den anderen Instrumenten der Notenbanken“, sagt Mathias Beil, Leiter Private Banking bei der Hamburger Sutor Bank. „Daneben bereitet die nachlassende Wachstumsdynamik Sorgen.“ Die Angst vor einer Stagflation ist zurück. Und sie ist nicht unbegründet.
Nebenbemerkungen zum Zinsentscheid beunruhigen
Die Entscheidung der Fed, die Zinsen um 0,5 Prozentpunkte anzuheben, hätte durchaus für Entspannung sorgen können. Schließlich stand auch eine Anhebung um 0,75 Prozentpunkte im Raum. „Auch das Nachziehen der EZB, die den Leitzins ebenfalls um 0,5 Prozentpunkte anhob, hätte den Markt nicht so unter Druck versetzt, wie das dann geschehen ist“, sagt Beil. „Auch hier lag die Spanne der Erwartungen zwischen 0,5 und 0,75 Prozentpunkten.“
Was die Märkte beunruhigt, sind die Nebenbemerkungen der EZB: So hat die Notenbank angekündigt, ihre Bilanz abzubauen. So sollen nicht alle fälligen Rückzahlungsbeträge aus in die Bilanz genommenen Anleihen wieder reinvestiert werden. „Das heißt nichts anderes, als dass dem Markt Liquidität entzogen wird, 15 Milliarden Euro monatlich ab März 2023“, so Beil. „Und die Fed spielt das gleiche Spiel, das Quantitative Tightening ist dort in vollem Gange.“
Ohnehin sind die Notenbanken derzeit sehr gleichmäßig unterwegs, die Schweizer Nationalbank wie auch die Bank of England setzten ebenfalls die Zinsen herauf. Und gerade in Großbritannien geht dies einher mit der Angst vor einer deutlichen Verschlechterung der konjunkturellen Lage. „Das mag noch wegen des Brexits hausgemacht sein, aber die EZB sieht die Lage für die Eurozone nicht wesentlich rosiger“, sagt Beil.
Zusammen mit der Zinserhöhung veröffentlichte die EZB ihre Prognose zum Wirtschaftswachstum in Europa. „Und die lässt aufhorchen, denn die Notenbanker sehen nur noch ein Miniwachstum von 0,5 Prozent im kommenden Jahr“, erklärt Mathias Beil. Die drohende Rezession ist dabei eine fast unausweichliche Folge der Notenbankpolitik. „Es geht ja genau darum, die Wirtschaftstätigkeit so weit zu verlangsamen, dass die Preise nicht mehr wegen der starken Nachfrage weiter steigen“, sagt Beil.
Wirtschaftliche Dynamik nimmt durch restriktive Notenbankpolitik in der Regel ab
In den vergangenen Jahrzehnten sorgte eine restriktive Notenbankpolitik in der Regel jedes Mal für eine Rezession. Diese fiel mal mehr und mal weniger stark aus, aber immer nahm die wirtschaftliche Dynamik deutlich ab. „Und auch die Märkte reagieren dann mit Abschlägen“, sagt Beil. Erst wenn die Inflationserwartungen dann ebenfalls sinken, kommt es zur Stabilisierung. Doch da gab die EZB noch keinen Anlass zur Hoffnung und sieht die Inflation noch nicht gezähmt. „Da die Inflationserwartung nicht wirklich entspannt ist, droht hier eine Stagflation“, führt Beil aus. „Und dies ist ein Szenario, das die Märkte fast mehr als alles andere fürchten.“