Vates: Geldpolitik schafft keine Impulse mehr

– Die von vielen erhoffte Weihnachtsrallye an den Märkten ist bisher ausgeblieben, seit Mitte November laufen die Märkte seitwärts. Da auch die vorsichtigen Entspannungssignale von der Inflationsseite und in der Folge auch von der Fed den Märkten keinen Schub mehr geben konnten, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Rezession. „Der Fokus verschiebt sich vom Blick auf das aktuelle Handeln der Fed auf die Folgen der bereits gegangenen Schritte“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH. „Ohne positive Konjunkturdaten werden die Märkte keinen neuen Schub erhalten.“

Das zeigt sich an den Marktreaktionen auf die Daten: So wurde der positive Inflationsdatenpunkt zunächst vom Markt gefeiert, die Rallye dann jedoch wieder abverkauft. „Und auch von der Fed-Sitzung am Mittwoch (14.12.22) kamen keine neuen negativen Nachrichten von der Fed“, sagt Bente. „Trotzdem wurde weiter abverkauft.“ Offensichtlich sind derzeit die Reaktionen auf die entscheidenden monetären Datenpunkte anders als noch im November. „Da schaffte es eine positive Nachricht von Inflationsseite, den S&P 500 um fünf Prozent in die Höhe zu drücken“, so Bente.

Die Märkte erreichen jetzt eine Phase, in der die reine Fokussierung auf Inflation und Fed zunehmend nicht mehr richtig ist. „Das, was wir jetzt an monetären Restriktionen gesehen haben, war der steilste und aggressivste Restriktivitätsschub seitens der Fed seit den frühen 1980ern“, sagt Bente. „Und das hat in der Vergangenheit in der Mehrzahl der Fälle ausgereicht, um eine Rezession zu bringen.“ Nur in einem Ausnahmefall, 1994, mündete eine so restriktive Geldpolitik nicht in eine Rezession. „Das erklärt auch, warum es in den kommenden zwei Monaten zu einer Neufokussierung des Marktes kommen wird“, so Bente: „Weg vom ausschließlichen Starren auf die Inflation und damit auf das Fed-Verhalten hin zu den möglichen negativen Folgewirkungen des Fed-Verhaltens der vergangenen Monate.“

Konkret heißt das, dass Konjunkturdaten in den Mittelpunkt rücken und nicht mehr monetäre Datenpunkte. Auf Basis der historischen Wahrscheinlichkeiten reichen die restriktiven Aktionen der Fed, um eine Rezession auszulösen. Und zwar in der Regel mit einigen Monaten Zeitversatz. Insofern ist es nicht ungewöhnlich, dass die konjunkturellen Indikatoren in der Breite noch nicht rezessiv sind. Aber es erklärt, warum allein positive monetäre Nachrichten, insbesondere der Inflationsdatenpunkt, nicht mehr zu nachhaltigen Aufwärtsbewegungen an den Aktienmärkten führen. „Der Aktienmarkt sollte in den nächsten Wochen und Monaten zunehmend auf die Konjunkturdaten schauen“, sagt Bente.

Sollte entgegen der historischen Wahrscheinlichkeiten eine Rezession ausbleiben, dann sind neue Allzeithochs im Aktienmarkt möglich. „Das gilt insbesondere dann, wenn die Fed früh im Jahr 2023 den Zinserhöhungszyklus beendet“, so Bente. „Wenn der wahrscheinlichere Fall eintritt, dass die Wirtschaft in eine Rezession abgleitet, dann kommt eine weitere Abwärtswelle, die dann nicht monetär, sondern – anders als bisher im Verlauf des Jahres 2022 – konjunkturell getrieben wäre.“ Dies wäre ein typisches Muster für rezessive Bärenmärkte: Der erste Teil der Abwärtsbewegung ist monetär getrieben. Nachdem der Höhepunkt der monetären Restriktivität schon wieder überschritten ist, teilweise sogar schon wieder Stimulanz eingesetzt hat, kommt der zweite Teil der Abwärtsbewegung, der konjunkturell getrieben ist.

Was nicht vergessen werden darf bei aller Fokussierung des Marktes auf die Fed: Es wird nicht nur auf der Zinsseite gearbeitet. Gleichzeitig schraubt die amerikanische Notenbank auch an einem zweiten Instrument, nämlich dem Quantitative Tightening, also der Rückabwicklung des Quantitative Easing. „Das ist das zweite Instrument, mit dem sie Liquiditätsentzug betreibt“, sagt Bente. „Auf der Zinsseite kommt es derzeit zu einer gewissen Entspannung, zumindest die Zinserhöhungsgeschwindigkeit nimmt ab.“ Doch das Quantitative Tightening bleibt ein Belastungsfaktor, der aktuelle Restriktivitätsschub der Fed fällt deshalb stärker aus als beim reinen Blick auf die Steilheit des Zinserhöhungszyklus.

Auf Basis der historischen Erfahrung sollte deshalb ganz klar von einer Rezession in den USA als Folgewirkung der Fed-Politik ausgegangen werden. „Es ist aus unserer Sicht nicht verwunderlich, dass die Aktienmärkte seit Mitte November nicht mehr steigen konnten“, so Bente. „Die Weihnachts- oder Dezemberrallye bleibt bisher aus, denn das Makroumfeld unterstützt eine solche Bewegung derzeit nicht.“