Die Inflation im Euroraum bleibt mit 5,3 Prozent überraschend hoch, wie am Donnerstag (31. August 2023) mitgeteilt wurde. Ein Warnsignal an die Märkte? Eher nicht, denn der Dax schaffte es am selben Tag wieder über die 16.000 Punkte. „Die Inflation ist heute nicht mehr dieselbe wie noch vor einigen Monaten“, sagt Mathias Beil, Leiter Private Banking der Hamburger Sutor Bank. „Die jetzigen Preissteigerungen kommen direkt den Gewinnen der Unternehmen zugute.“ Und damit auch den Börsenkursen.
Zwar erhöht die auf dem hohen Niveau verharrende Inflationsrate die Wahrscheinlichkeit, dass die Notenbanken noch weiterhin an der Zinsschraube drehen. „Die Zinssenkungsrunde ist damit erst einmal verschoben“, sagt Beil. Und auch die Rezessionsgefahr ist nicht gebannt. Noch immer sind die Zinsstrukturkurven invers, was über die Jahrzehnte einen sicheren Indikator für eine kommende Rezession darstellte.
„Dazu kommen die Probleme auf dem chinesischen Immobilienmarkt, die dortige allgemeine Wachstumsschwäche und natürlich all die anderen Risikofaktoren, die noch nicht abgeräumt sind“, sagt Beil. „Vom Krieg in der Ukraine, den Putschen in Westafrika oder auch den immer noch steigenden Rohstoffpreisen einmal ganz abgesehen.“ Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession ist also immer noch hoch – und trotzdem steigen die Aktienkurse.
Während alle diese Risikofaktoren eingepreist sind, bleibt doch die Frage nach den Folgen der Inflation offen. „Hier geht es um die Form der Inflation, die sich im Laufe der Zeit tatsächlich geändert hat“, sagt Beil. „Zu Beginn des jetzigen Inflationsschubs waren es die Energiepreise gekoppelt mit dem Zusammenbruch der Lieferketten, alles ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine.“
Die zweite Runde ging dann auf die Gewerkschaften und die Lohnabschlüsse. „Verständlicherweise wollten die Mitarbeiter einen Ausgleich für die gestiegenen Preise und haben das angesichts des immer noch bestehenden Arbeitskräftemangels auch durchgesetzt bekommen“, sagt Beil. Die erste wie die zweite Runde der Inflation traf die Unternehmen also direkt, steigerte die Kosten und verdüsterte die Gewinnaussichten.
Dax-Auftrieb nicht trotz, sondern wegen der Inflation
Die jetzt laufende dritte Welle der Preissteigerungen ist vor allem getragen von Preiserhöhungen bei den Unternehmen. Dabei sind sowohl Unternehmen dabei, die vorher mit den höheren Kosten klarkommen mussten und jetzt Teile davon an die Kunden weitergeben. „Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Unternehmen, die entweder bereits die Preise angepasst hatten, weil sie die Macht dazu haben, oder jetzt einfach auf der Welle mitreiten“, sagt Beil. „Diese Form der Preissteigerung führt aber zu höheren Gewinnen und damit besseren Aussichten.“ Was die Börse eben genauso sieht und was für die steigenden Kurse sorgt.
„Sollte also kein Rezessionsszenario greifen oder andere externe Schocks die Börsen treffen, könnte es mit der Aufwärtsbewegung nicht trotz, sondern wegen der Inflation noch weitergehen“, sagt Beil.