An den Märkten bahnt sich eine handfeste Überraschung an. Entgegen allen Wahrscheinlichkeiten könnte 2023 der Absturz in eine Rezession ausbleiben, wie er sonst immer nach einer Phase straffer Notenbankpolitiken folgt. „Wir könnten nach 1967 jetzt das zweite Jahr sehen, in denen ein solches Kunststück gelingt“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH. „Die aus dem Markt gewonnenen monetären Indikatoren bewegen sich in diese Richtung.“
Im Verlaufe dieses Jahres zeigten sich die Rezessionsrisiken sehr groß. „Eigentlich sind sie es auch heute noch, wenn wir die volkswirtschaftlichen Indikatoren anschauen“, so Bente. So weist einer der besten konjunkturellen Vorlaufindikatoren, die US-Zinsstrukturkurve, eine klare Inversion auf. „Bei einer Situation wie derzeit mit einer invertierten Zinsstruktur in den USA kam es in den vergangenen 60 Jahren in acht von neun Fällen zu einer Rezession“, sagt Bente. „Nur in einem Fall, 1967, blieb sie aus.“
Da Investoren immer auf der Seite der hohen Wahrscheinlichkeiten stehen sollten, blieben viele Anleger bei niedrigen Aktienquoten. „Eine gute Entscheidung aus Risikosicht“, sagt Bente. „Basierend zum Beispiel auf der US-Zinsstruktur liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession bei 89 Prozent. Dass es zufälligerweise trotz der angespannten monetären Schocksituation nicht zu einer Rezession kommt, hat eine Wahrscheinlichkeit von elf Prozent.“ Doch diese Wahrscheinlichkeit hat sich in den vergangenen zwei Wochen deutlich erhöht.
In den vergangenen beiden Wochen veränderten sich insbesondere die monetären Indikatoren. Das Verhalten des Marktes wich immer mehr vom Verhalten der Märkte in historischen Rezessionen ab. „In Rezessionen zeigt sich der Markt übergeordnet abwärts gerichtet, Bewegungen nach oben sind nur temporär und kurz“, sagt Bente. „Hohe Optimismuslevel wie derzeit zeigen in Rezessionsphasen das Ende von Gegenbewegungen an, die dann wieder in eine neue Abwärtswelle übergehen.“ Nur in Bullenmärkten, insbesondere in solchen, die nach abgeschlossenen Bärenmärkten neu entstehen, steigt der Markt regelmäßig durch einen derartigen Optimismus hindurch weiter, wie zuletzt geschehen.
Dieses Verhalten verändert auch die Indikatoren beziehungsweise deren Aussage. Denn der Aktienmarkt ist selbst ein guter Vorlaufindikator für konjunkturelle Entwicklungen. „Ich würde sogar sagen, dass der Aktienmarkt regelmäßig bessere Konjunkturprognosen abgibt, als all die Institute mit ihren Volkswirten und Professoren das schaffen“, sagt Bente. Der heute herrschende Optimismus ist insofern messbar und geht mit immer stärkerem Gewicht in die Gesamtbewertung ein. Die Botschaft: Eine Rezession als Folge des monetären Schocks wird dieses Mal unwahrscheinlicher, das Szenario 1967 wird wahrscheinlicher.
Streng regelbasiert ist zu sehen, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession in den ersten Monaten dieses Jahres noch bei mehr als 80 Prozent lag, heute aber auf 50 Prozent gefallen ist. Der langsame Aufbau zusätzlicher Aktienpositionen ist deshalb möglich und sinnvoll.