Die von der EU angestrebte Klassifizierung von Anlagen als ESG-konform oder nachhaltig wird die Investitionsentscheidungen institutioneller Investoren kaum verändern. „Der Markt ist bei der Standardsetzung bereits viel weiter als die Politik, die Taxonomie ist hier ein Rückschritt“, sagt Tim Faltis, Verwaltungsrat bei Fair Alpha. „Letztlich nutzt sie in ihrer jetzigen Fassung nur denen, die es mit der Nachhaltigkeit ohnehin nicht so ernst nehmen.“
So hat sich die Betrachtung des Impacts, der realen Auswirkungen einer Investitionsentscheidung, bei den Formen nachhaltigen Investierens als Maßstab durchgesetzt. „Hier sind viele privatwirtschaftlich organisierte Standards und Regularien inklusive strenger Prüfungsmechanismen bereits deutlich besser aufgestellt“, sagt Faltis. Insofern ist es sehr unwahrscheinlich, dass institutionelle Investoren ihre Anlageentscheidungen anhand der lascheren EU-Taxonomie ausrichten.
Dies gilt zumindest für diejenigen, die es mit den eigenen Ansprüchen an Nachhaltigkeit ernst meinen. „Die EU-Taxonomie ist wie das Bio-Siegel der kleinste gemeinsame Nenner der Industrie“, so Faltis. Und so wie das Bio-Siegel Discountern den Zugang zum Biomarkt eröffnet hat, bietet die Taxonomie Anbietern die Möglichkeit, ihre Produkte als nachhaltig zu vermarkten, die die hohen Standards scheuen.
„Wir sehen, dass sich etwa der Standard für Green Bonds, der von der ICMA kontrolliert wird, in diesem Segment durchgesetzt hat“, sagt Faltis. „Wir würden also keine Green Bonds für Initiatoren auflegen, die nicht den hohen Standards entsprechend arbeiten.“ Auch sind viele institutionelle Investoren und entsprechende Branchenverbände wie der IIGCC (Institutional Investors Group on Climate Change) bereit, weiterzugehen als die Taxonomie vorgibt. „Diese Unternehmen und Institutionen beschäftigen sich aktiv mit Nachhaltigkeit und sprechen sich zum Beispiel klar gegen Atomkraft oder Gas aus“, sagt Faltis.
Der eigentliche Zweck der EU-Taxonomie wird deshalb nicht erreicht: Internationale Standards zu vereinheitlichen und damit Kapital so zu lenken, dass die Klimaziele der EU für 2030 und 2050 erreicht werden. „Die Politik war zu langsam“, sagt Faltis. „Die Wirtschaft brauchte bereits früher Klarheit und hat deshalb schneller Standards geschaffen und etabliert, die der Taxonomie weit voraus sind.“ So wie die Taxonomie vorgeschlagen wurde und die Diskussion über die Bewertung von Atomkraft und Gas als nachhaltig läuft, wird die EU-Vorgabe keine oder nur sehr wenig Auswirkungen auf das Anlageverhalten haben.
„Nichtsdestotrotz war es die Hoffnung vieler Marktteilnehmer, durch die Taxonomie eine Vereinheitlichung der Standards und klare Definitionen für nachhaltige Investitionen zu erhalten“, sagt Faltis. Das würde Klarheit, Transparenz und damit umfangreiche Glaubwürdigkeit schaffen, die die aktuelle Version nicht hergibt. „Vielleicht kann das Werk ja noch überarbeitet und verbessert werden, nicht in der ersten Runde, aber dann fortlaufend“, so Faltis.