Mit der Inauguration von Donald Trump am 20. Januar könnte es auch an den Kapitalmärkten noch einmal deutlich „politischer“ werden. Anlässlich der Vorstellung des Guide to the Markets für das erste Quartal 2025 plädiert Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management dafür, trotzdem nicht nervös zu werden. „Es wird künftig wichtig sein, herauszufiltern, was von den im Raume stehenden politischen Ankündigungen realistisch ist, und was die Märkte wirklich beeinflussen könnte.“ So geht der Ökonom nicht davon aus, dass die Pläne bei den Themen Zölle oder Steuersenkungen eins zu eins umgesetzt werden können, da die Republikaner nur über eine hauchdünne Mehrheit im US-Repräsentantenhaus verfügen und einzelne republikanische Abgeordnete dagegen stimmen könnten. In den USA hält Galler in diesem Jahr noch zwei weitere Zinssenkungen für realistisch, danach könnte die Fed eine Pause einlegen. In Europa rechnet Galler mit vier Zinssenkungen. An den Bond-Märkten sollte man sich auf qualitativ hochwertige Segmente fokussieren, an den Aktienmärkten könnten Value- und Dividendenwerte von höheren Anleihenrenditen profitieren. Speziell zum Thema Inflationsschutz könnten auch alternative Anlageklassen in den Fokus genommen werden.
US-Steuersenkungen: Wie finanzierbar?
Die Trump-Administration hat bereits angekündigt, den Körperschaftssteuersatz in den USA von derzeit 21 Prozent auf bis zu 15 Prozent senken zu wollen. Ausgehend von bisherigen Einnahmen bei der Körperschaftssteuer von 490 Milliarden US-Dollar könnte eine Senkung einen Einnahmeverlust von rund 150 Milliarden US-Dollar bedeuten. „Nur mit mehr Effizienz im Regierungsapparat und weniger Staatsbeamten lässt sich diese Lücke nicht schließen“, gibt Tilmann Galler zu bedenken. Aus seiner Sicht sei es daher alles andere als ausgemacht, dass alle Republikaner den Plänen zustimmen werden.
Auch höhere Zölle könnten aus Sicht des Kapitalmarktexperten die entstehenden zusätzlichen Lücken nicht decken. Derzeit machten Zolleinnahmen mit 75 Milliarden US-Dollar lediglich 1 Prozent des US-Haushaltsbudgets aus. Selbst kräftige Zollerhöhungen würden daher das aktuelle Defizit von knapp 2 Billionen US-Dollar nur moderat verringern. Stattdessen könnte durch höhere Zölle vielmehr Ungemach für US-Konsumenten drohen: „Viele Unternehmen, die von höheren Zöllen betroffen sein werden, dürften die höheren Kosten an Endkunden weitergeben. Das könnte die Inflation wieder anfachen“, erläutert Galler. Derzeit hält sich die Inflation bereits hartnäckig über dem erklärten Inflationsziel der US-Notenbank Fed. Speziell bei Gütern tendiere die Inflationskurve langsam wieder nach oben.
Zunehmende Inflationsgefahren: Fed vor Zinspause 2025?
Inflationsgefahren drohten in den USA auch vom Arbeitsmarkt. Das Lohnwachstum liegt mit 4 Prozent im vergangenen Jahr immer noch hoch, vor allem getragen vom Dienstleistungssektor. Insgesamt gibt es seit 20 Monaten in Folge in den USA ein positives Reallohnwachstum, was den Konsum stark angetrieben hat. Angesichts von zwei Jahren ununterbrochenem Beschäftigungswachstum, wodurch die US-Wirtschaft seit längerem nahe der Vollbeschäftigung liegt, dürfte die Inflationsgefahr aus Sicht von Tilmann Galler hoch bleiben, insbesondere vor dem Hintergrund einer restriktiveren Einwanderungspolitik. In Folge einer expansiveren Finanzpolitik der künftigen US-Regierung in Verbindung mit einer protektionistischen Handelspolitik könnte die US-Notenbank Fed die Finanzierungsbedingungen möglicherweise nicht so lockern wie es erwartet wird. „2025 dürften wir gerade noch zwei Zinsschritte sehen. Es ist wahrscheinlich, dass die Fed in diesem Jahr eine Pause einlegen wird“, erklärt Tilmann Galler.
In Europa sieht Galler die Wirtschaft nicht in eine Rezession fallen, aber es sei auch nicht mit einer kräftigen Erholung zu rechnen. Die Europäische Zentralbank sieht er mit Blick auf ihre Zinspolitik unter Zugzwang: „Die EZB steht unter Druck, die Zinsen zügig weiter zu senken, um die Finanzierungsbedingungen für Haushalte und die Privatwirtschaft zu verbessern. Wir gehen von mindestens vier Zinssenkungen in diesem Jahr aus“, betont Galler.

US-Aktien mit Prämie, Europa-Aktien mit Discount
Mit Blick auf die Kapitalmärkte dürften die USA führend bleiben – es gelte aber, noch stärker zu diversifizieren. „Nach dem starken Wachstum im vergangenen Jahr sollten Anlegerinnen und Anleger sich nicht zu sehr auf das Momentum der US-Mega-Caps fokussieren. Es zeigt sich vielmehr eine zunehmende Erholung des breiteren Marktes, sodass auch kleinere Unternehmen sowie die sogenannte ‚zweite und dritte Reihe‘ in den Fokus rücken. Dies sollte durch mögliche Steuererleichterungen und die robuste wirtschaftliche Lage weiter unterstützt werden“, erklärt Galler. Insgesamt handelten US-Aktien weiterhin mit einer Prämie im Vergleich zu ihrer Historie, während europäische Aktien weiterhin mit einem Discount zu haben sind. Laut Tilmann Galler könnten Value- und Dividendenaktien in diesem Jahr von etwas höheren US-Treasury-Renditen profitieren: Während „Value“ in den USA hinter „Growth“-Titeln im vergangenen Jahr zurücklagen, war dies im Rest der Industrieländer andersherum. Dieser Trend könnte sich nun auch in den USA zeigen.
Die starke Marktstellung der USA zeigt sich nicht nur in der Aktienbewertung, sondern auch in der Stärke des US-Dollars. Auf historisch hohem Niveau stellt der sich befestigende Dollar ein Risiko für zahlreiche Emerging Markets dar. Doch Japan und andere asiatische Märkte könnten von diesen Entwicklungen wiederum profitieren. Japanische Aktien beispielsweise zeigen in einem Umfeld schwächerer Yen-Notierungen relative Stärke. In China hingegen bleiben die Unsicherheiten aufgrund von regulatorischen Eingriffen und einem schwachen Verbrauchervertrauen hoch. Chinesische Aktien bleiben daher trotz moderater Bewertung aus Sicht von Galler nur selektiv attraktiv.
Anleihen: Auf Qualität kommt es an
Die Rentenmärkte bieten Anlegerinnen und Anlegern nach Einschätzung von Tilmann Galler in einem unsicheren Umfeld weiterhin Schutz. Die engen Spreads bei Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen seien zumindest partiell gerechtfertigt, da es eine strukturelle Qualitätsverbesserung der Emittenten gab. Gerade im High-Yield-Bereich sei die Qualität in den letzten 20 Jahren sehr stark gestiegen. Sollte es keine Rezession geben, dürften die Spreads aus Sicht von Tilmann Galler eng bleiben. Sein Fazit lautet: „Wir bleiben dem Credit-Bereich gewogen, sehen aber auch die Notwendigkeit, sich in den einzelnen Bereichen an qualitativ höheren Segmenten zu orientieren.“ Speziell mit Blick auf das Thema Inflationsschutz, das weiterhin wichtig bleiben dürfte, sieht der Ökonom zur Ergänzung des Portfolios auch alternative Anlagen wie Transport, Infrastruktur, Immobilien und andere reale Vermögenswerte als sinnvoll an.

Die Aufzeichnung der Webkonferenz ist hier zu finden.