Jupiter: Chancen der digitalen Revolution



In den kommenden Wochen ziehen die Kapitalmarktexperten von Jupiter Asset Management ein Resümee aus dem vergangenen, herausfordernden Jahr im Kontext der Corona-Krise und geben einen Ausblick auf das Investmentjahr 2022. Im vierten Teil der Serie beschäftigen sich Guy de Blonay und Brad Slingerlend mit den Chancen der digitalen Revolution.

Finanzbranche kämpft um Chancen in der nächsten digitalen Revolution

Banken stemmen sich gegen Fintech-Unternehmen, indem sie sich Innovationen zu eigen machen, Top-Talente abwerben und ihre Arbeitsweise umstellen. Die explosionsartige Verbreitung von nicht-fungiblen Token (NFTs) und eine verstärkte allgemeine Akzeptanz von Kryptowährungen prägten das Jahr 2021. Dieser Trend wird sich 2022 nur noch verstärken, da die großen Banken Innovation annehmen und sich in der nächsten digitalen Revolution gegen die Konkurrenz von Fintech-Unternehmen stellen werden.

Politik der Zentralbanken wird die Finanzbranche im Jahr 2022 unterstützen

Das Tempo der Inflation und die Frage, ob es sich um eine vorübergehende Entwicklung handelt, sind Schlüsselfaktoren im Verlauf der nächsten 12 Monate. Beide Faktoren dürften die Politik der Zentralbanken in Bezug auf die Entscheidung für ein Anheben der Zinssätze bestimmen. Ich glaube, dass die Inflation zwar hoch ist, aber letztlich ihren Höhepunkt erreicht hat und im nächsten Jahr zurückgehen wird, wenn sich das globale Wachstum verlangsamt. Die Aussichten für Finanzwerte hängen weitgehend von den politischen Entscheidungen der Zentralbanken ab, vor allem davon, ob und wann sie die Zinsen anheben werden. Ich glaube nicht, dass es vor 2023 zu Zinserhöhungen in den großen Industrieländern kommen wird. Die Zentralbanken werden ebenfalls versucht sein, ihre restriktive Haltung beizubehalten.

Mit Blick auf das Jahr 2022 scheint das makroökonomische Umfeld für Finanzwerte günstig zu sein, insbesondere in den USA und Europa. Wenn die kurzfristigen Zinssätze niedrig bleiben und die längerfristigen Zinserwartungen weiter steigen, wird die Rentabilität weiterwachsen, was die Finanzbranche unterstützt. Die wirtschaftliche Erholung ist in vollem Gange, und das globale Bankensystem geht von einem Nullwachstum zu einer nachhaltigen Expansion über. Kapitalumverteilungen fließen in Form von Dividenden an die Anleger zurück. Die Aussichten für globale Finanzwerte erscheinen gesund, diese Annahme wird auch durch die jüngsten starken Quartalsergebnisse gestützt. Trotz der kräftigen Aktienkursentwicklung, die wir in den letzten 12 Monaten bei den Finanzwerten gesehen haben, bin ich der Meinung, dass sie weiterhin attraktiv bewertet sind, da die Gewinne schneller steigen als ihr Aktienkurs.

Digitale Währungen nun Teil des öffentlichen Bewusstseins

Wir leben in einer Welt, die sich noch schneller wandelt als jene, in der wir vor der COVID-19-Pandemie lebten.  Digitale Währungen sind inzwischen Teil des öffentlichen Bewusstseins geworden. So ist es jetzt beispielsweise möglich, Bitcoins über PayPal zu kaufen, und Visa ist seit kurzem das erste große Zahlungsnetzwerk, das Transaktionen in USD Coin abwickelt (ein „Stablecoin“, der durch den Dollar besichert ist, aber in Ethereum gehandelt wird). Die Tatsache, dass digitale Währungen nun von den größten Zahlungsplattformen der Welt unterstützt werden, verdeutlicht das Ausmaß der strukturellen Veränderungen in der Gesellschaft, die in den letzten Jahren stattgefunden haben. Diese und das damit einhergehende Innovationstempo bieten eine Fülle von Chancen in der globalen Finanzbranche.

Eines der spannendsten aktuellen Themen für 2022 ist Fintech. In den letzten Jahren wurde die traditionelle Finanzwelt von einer Welle von Fintech-Unternehmen aufgerüttelt. Diese haben die Digitalisierung genutzt, um die Pläne der etablierten Finanzunternehmen zu durchkreuzen. 2022 könnte sich das jedoch rächen, da die großen etablierten Institute zurückschlagen, indem sie Top-Talente abwerben, sich der „agilen“ Arbeitsweise anschließen und Innovationen einführen, um Marktanteile zurückzuerobern und ihre Kunden besser zu bedienen.

Die Pandemie hat den Trend zum Online-Banking und zu Zahlungssystemen, der sich bereits vor der Pandemie abzeichnete, erheblich beschleunigt. Das Tempo der Finanzinnovation hat Fahrt aufgenommen, da der Großteil der Verbraucherausgaben nun online getätigt wird und Kryptowährungen allmählich in das allgemeine Konsumverhalten vordringen. Innerhalb der Fintech-Branche sehe ich das größte Potenzial im Bereich des digitalen und bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Der Übergang von Bargeld zu Karten und vom stationären Handel zum E-Commerce ist noch lange nicht vollzogen, und es besteht die Möglichkeit, große Fintech-Ökosysteme oder „Super-Apps“ á la Ant Financial und WeChat Pay zu schaffen.

Jenseits des Zahlungsverkehrs überqueren eine viel größere Anzahl von Segmenten wie InsurTech, PropTech, Neobanken, digitale Vermögensverwaltung und Kryptowährungen die „Kluft“. Sie gehen von der frühen Adoptionsphase in die nächste Wachstumsphase über und adressieren die breite Masse. Im Jahr 2020 hatten 66 Millionen Marktteilnehmer entweder mit einer Kryptowährung gehandelt oder eine Blockchain-Anwendung genutzt. Diese Zahl hat sich 2021 auf 260 Millionen verdreifacht, und ich erwarte, dass sie sich bis 2022 noch einmal vervielfachen wird, da die Integration von Kryptowährungen in das allgemeine Konsumverhalten weiter voranschreitet. Ich glaube, dass die Veränderung des Konsumverhaltens und die Beschleunigung der Finanzinnovation im Zuge der Pandemie eher strukturell als vorübergehend ist. Da die Digitalisierung des Finanzdienstleistungssektors noch in den Kinderschuhen steckt, birgt sie meines Erachtens ein großes Potenzial für Anleger.