Die zurzeit in Brasilien stattfindende UN-Klimakonferenz rückt die Energieversorgung wieder ins Rampenlicht. Hier gehen die USA und Deutschland getrennte Wege: Während Washington mit Milliardeninvestitionen in Kernenergie neue Maßstäbe für Industriepolitik setzt, bleibt die Bundesrepublik nach dem Atomausstieg bei volatiler Stromversorgung und hohem Preisniveau. „Energie wird zum geopolitischen Faktor bei der Geldanlage – Energiesicherheit ist das neue ESG“, erklärt Thorsten Fischer, Managing Director und Head of Portfolio Management bei Moventum AM.
In den USA erlebt die Kernenergie derzeit eine Renaissance als industriepolitischer Motor. Jüngstes Beispiel: eine strategische Allianz der Regierung in Washington mit den Westinghouse-Electric-Eigentümern Brookfield und Cameco. Bis 2030 sollen landesweit zehn neue Reaktoren entstehen. Das Investitionsvolumen beläuft sich auf mindestens 80 Milliarden Dollar. Staatliche Förderungen und beschleunigte Genehmigungsverfahren – die innerhalb von nur 18 Monaten abgeschlossen werden – sorgen für Tempo. Ein besonderes Zeichen setzt die Gewinnbeteiligung der Regierung: 20 Prozent auf Profite, die 17,5 Milliarden US-Dollar überschreiten.
„Dieses Projekt ist auch ein Jobmotor erster Güte“, sagt Fischer. Über 100.000 neue Arbeitsplätze im Baugewerbe und 45.000 weitere Jobs in der industriellen Fertigung werden in mehr als 43 Bundesstaaten geschaffen. Die Botschaft dahinter: Energiepolitik wird aktiv als Teil einer umfassenden Industriestrategie betrieben. Kernenergie unterstützt die Reindustrialisierung der USA, sichert Energieautarkie und versorgt Hightech-Sektoren.
Deutschland hingegen hat im April 2023 das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet – und vollzieht den umgekehrten Weg trotz Energiekrise und steigendem Importbedarf. Die Stromversorgung basiert auf dem Ausbau erneuerbarer Energien wie Wind und Solar. Gleichzeitig bleiben die Strompreise hoch, Industriekunden zahlen in Deutschland nahezu doppelt so viel wie in den USA.
Diese Differenz allerdings resultiert nicht daraus, dass Kernkraft so billig wäre. Stattdessen treiben regulatorischen Besonderheiten die Kosten in Deutschland in die Höhe: Steuern, Umlagen und Abgaben machen hier oft über die Hälfte des Strompreises aus. Investitionen in Netze, Speicher und Kraftwerksrückbau werden über den Strompreis querfinanziert – anders als in den USA, wo regionale Subventionen und niedrigere Gebühren den Standort stärken. Dazu kommen langwierige Planungsverfahren, politische Unsicherheit und hohe Abgaben in Deutschland. „Entscheidend sind also die unterschiedlichen Systeme und politischen Rahmenbedingungen“, erklärt Fischer. „Die Stromgestehungskosten spielen für die Preisunterschiede nur eine untergeordnete Rolle.“
Die Folgen für Standort und Wettbewerbsfähigkeit sind allerdings gravierend. „Die USA verbinden Industriepolitik und Energieversorgung strategisch miteinander, während Deutschland vor allem das Klimaschutzprojekt ohne industriepolitisches Fundament verfolgt“, so Fischer. Niedrige und planbare Kosten sind für energieintensive Branchen wie Chemie, Stahl, Halbleiter und Batterien allerdings ein zentrales Kriterium.
Zudem sichert sich die US-Wirtschaft durch Westinghouse den Zugang zu sogenannten Small Modular Reactors, modernen modularen Kernreaktoren. Daher bevorzugen Anleger die USA als planbaren Standort mit gezielten Anreizen, während Deutschland Gefahr läuft, durch hohe Energiekosten und regulatorische Unsicherheit Produktionskapazitäten zu verlieren.
Fazit aus der Perspektive von Investoren: Energie wird zum geopolitischen Anlagefaktor. Fischer: „Wer wettbewerbsfähige Industriepolitik betreibt, gewinnt Arbeitsplätze und Kapitalströme.“ Die USA setzen in einem Paket auf Energieversorgung und industrielle Stärke – und bieten damit planbare, investorenfreundliche Rahmenbedingungen, die auch Private-Equity- und Infrastrukturinvestoren frühzeitig nutzen dürften. Deutschland dagegen droht, abgehängt zu werden. Ob das US-amerikanische Konstrukt über lange Jahre tragfähig ist oder der vernachlässigte Klimaschutz seine Rechnung fordert, wird erst die Zukunft zeigen. Heute bedeutet das für Anleger: „Übergewichtung US-Industrie & Infrastruktur, selektive Positionierung in europäische Qualitätswerte mit globaler Aufstellung“, sagt Fischer.
Mehr unter www.moventum.lu.

