Handelspolitische Unsicherheiten, geopolitische Risiken und schwankende Konjunktursignale halten die Märkte seit Monaten in Atem. Für Anleger stellt sich daher die Frage: Ist jetzt weiterhin die Zeit für offensive Strategien wie den Faktor Momentum – oder sind defensive Ansätze wie Qualität die bessere Wahl?
„Der Blick auf die Märkte zeigt sehr klar: Momentum regiert derzeit, vor allem in Europa“, sagt Jan Schippmann, stellvertretender Leiter Private Banking bei der Hamburger Sutor Bank. „Doch Anleger sollten nicht vergessen, dass Momentum-Strategien besonders anfällig für Rückschläge sind. Eine Quality-Strategie bleibt auch in diesem Umfeld ein unverzichtbarer Stabilitätsanker.“
Um herauszufinden, wie sich Momentum- und Quality-Strategie zuletzt entwickelt haben, hat die Sutor Bank insgesamt fünf Indizes miteinander verglichen: Den MSCI World Momentum Net Total Return USD Index, den MSCI World Quality Net Total Return USD Index, den MSCI Europe Quality Net Return EUR Index, den MSCI Europe Momentum Net EUR Index sowie den MSCI World Index.
Momentum Europa dominiert auf Jahressicht – auf zwei Jahre Momentum weltweit vorn
Der Momentum-Faktor bündelt Aktien, die in den vergangenen Monaten besonders gut gelaufen sind. Die Idee: Trends setzen sich fort. Dem gegenüber steht der Quality-Faktor, der auf Unternehmen mit stabilen Gewinnen, hohen Eigenkapitalrenditen und niedriger Verschuldung setzt. Solche Titel entwickeln sich in schwierigen Zeiten robuster und gelten als Puffer gegen Marktschwankungen.
Tatsächlich zeigen die Zahlen 2025 ein klares Bild. Der MSCI Europe Momentum Index liegt in diesem Jahr nahezu gleichauf mit dem MSCI World Momentum Index (beide 19,5% per 19.9.2025), wobei der Europa-Index von Januar bis August zum Teil deutlich vor dem weltweiten Momentum-Index lag. Erst im September holte der weltweite Momentum-Index noch einmal kräftig auf. Der MSCI World Momentum Index ist mit einem Anteil von rund 60 Prozent sehr stark von US-Werten geprägt. Erst danach folgt der breite MSCI World Index mit 15,8 Prozent, der MSCI World Quality Index liegt bei 11,8 Prozent, und der MSCI Europa Quality Index bei nur 2,8 Prozent seit Januar.
Auch im Zweijahresvergleich (September 2023 bis September 2025) dominiert Momentum: Ganz vorne liegt in dem Zeitraum der MSCI World Momentum Index (73,6%), gefolgt vom Momentum Europa Index mit (53,1%). Gleichauf liegen auf zwei Jahressicht der MSCI World Index und der MSCI World Quality Index mit je 49,1 Prozent, abgeschlagen ist auch hier der MSCI Europe Quality Index mit 14,9 Prozent.
„Momentum-Strategien haben den Markt zuletzt klar geschlagen. Überraschenderweise konnte Europa Momentum stärker ausspielen als die USA“, erklärt Jan Schippmann.
Regelrecht enttäuschend ist aus Sicht von Jan Schippmann das Ergebnis des MSCI Europe Quality Index, der zwar insgesamt positiv performte, aber sowohl von der Performance seines europäischen Momentum-Pendants als auch des MSCI World Index sehr weit entfernt ist.
Unterschiedliche Marktstrukturen in den USA und Europa
Die Divergenzen zwischen Momentum und Quality haben auch strukturelle Gründe. In den USA, deren Werte in den weltweiten Indizes sehr stark vertreten sind, sind Technologie- und Wachstumswerte stark gewichtet – Sektoren, in denen Momentum und Quality oft gleichzeitig wirken. In Europa hingegen dominieren Industrie, Energie und Finanzwerte, die konjunkturabhängiger sind. Das macht Momentum dort volatiler und Quality weniger stabil.
Hinzu kommen Unterschiede bei Marktliquidität, Informationsverarbeitung und Regulierung. „In den USA sind Trends oft stabiler, aber Überrenditen werden durch effiziente Märkte schneller abgebaut“, so Schippmann. „In Europa gibt es mehr Ineffizienzen – das eröffnet Chancen, aber auch Risiken.“
Die Mischung macht‘s
Trotz des zuletzt schlechten Abschneidens der Quality-Strategie sollten Anlegerinnen und Anleger aus Sicht von Jan Schippmann den Wert einer solchen Strategie für das Portfolio nicht unterschätzen. „Quality hat kurzfristig nicht die Schlagkraft von Momentum, aber langfristig sind es die soliden Bilanzen und stabilen Cashflows, die Anlegern helfen, Krisen zu überstehen“, erklärt Schippmann. „Quality ist kein Renditetreiber, sondern eine Art Sicherheitsgurt im Portfolio.“
Bei Momentum-Strategien gebe es einige Risiken: „Momentum-Strategien können in Trendwechsel-Perioden drastische Verluste verursachen. Sie reagieren oft verzögert auf Wendepunkte und sind bei Marktkorrekturen besonders verwundbar“, sagt Schippmann. Die sprunghafte Zollpolitik in den USA und die daraus resultierenden Marktbewegungen verdeutlichen diese Risiken.
Für Anleger empfiehlt Schippmann daher einen ausgewogenen Ansatz: „Eine Kombination aus Momentum und Quality kann Vorteile beider Ansätze verbinden. Momentum liefert Aufwärtspotenzial in trendstarken Märkten, Quality bietet Stabilität und Risikoabsicherung.“ Wer nur auf den stärksten Faktor setze, vergesse oft, dass sich Marktzyklen ändern – und dann könne aus dem Gewinner schnell ein Verlierer werden.
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